Bischof Meister: „Den Korridor des Kompromisses suchen“

 
von Evangelischer Pressedienst

Bischofskonferenz der VELKD tagte in Wien zum Thema „Kirche und Demokratie“

Wien (epdÖ) – Der „Shift nach rechts“, ein europaweites Phänomen, fordere auch die Kirchen besonders heraus, sagt der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschland (VELKD), Ralf Meister. Auf Einladung des österreichischen lutherischen Bischofs Michael Chalupka hatte die Bischofskonferenz der VELKD ihre Klausurtagung zum Thema „Kirche und Demokratie“ in Wien abgehalten.

Die Dynamik hin zu starken Führungspersonen aus dem rechtsextremen Lager stelle gerade die evangelischen Kirchen vor große Herausforderungen, „weil wir klar sagen, dass bestimmte Positionen, die sich politisch momentan verstärkt abbilden, mit dem christlichen Ethos, etwa im Umgang mit Menschen in Notsituationen, nicht kompatibel sind“, hält Ralf Meister im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst Österreich am Montagabend, 3. März, fest. Die Würde des Menschen sei unantastbar, „für uns gilt, dass jeder Mensch das Ebenbild Gottes ist“.

Meister ist Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, seit 2018 steht er als Leitender Bischof an der Spitze der VELKD. Dass sich rechte Kräfte auch als „Vertreter der christlichen Tradition“ darstellen, werfe natürlich Konflikte auf, sagt der Bischof. Das Christentum gehöre jedoch „weder einer Partei noch der evangelischen Kirche. Aber eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, christlichen Wertvorstellungen zu folgen, muss sich zwingend auch den Anfragen und der Kritik der christlichen Kirchen stellen“.

In der politischen Auseinandersetzung beobachtet Meister eine „Kultur der Durchsetzung und der Macht“, die „nicht mehr die mühselige Aufgabe auf sich nimmt, die einer Demokratie inhärent ist, nämlich den Korridor des Kompromisses zu suchen“. Auf der Tagung in Wien sei auch die Verantwortung der Kirchen deutlich geworden, „Politikerinnen und Politiker immer wieder daran zu erinnern, dass es in den Demokratien Europas darum geht, unterschiedliche Ansichten konsensual zusammenzubinden“.

Bischof Ralf Meister bei seinem Grußwort im Gottesdienst in der Lutherischen Stadtkirche. (Foto: F. Hofmann)

Demokratische Gemeinwesen stehen, so Meister, in Europa seit 10 Jahren verstärkt unter Druck. Ein Grund dafür sei die „Problematisierung der Migration“ und die „Instrumentalisierung von Migranten“. Hier müssten Kirchen verstärkt dagegenwirken, „wir dürfen einen Generalverdacht gegenüber Menschen, die in Not sind und nach Europa kommen, nicht zulassen“, ist der Bischof überzeugt. Denn ursächlich für viele Themen, die europäische Länder betreffen, seien ungelöste sozial- und wirtschaftspolitische Fragestellungen und nicht das Migrationsthema.

„Kirchen unersetzbare Partner im demokratischen Gemeinwesen“

Bei der Tagung, an der neben den Bischöfinnen und Bischöfen der lutherischen Kirchen in Deutschland auch internationale Gäste teilgenommen haben, habe sich gezeigt, dass gerade auch die Stimmen von kleinen Kirchen in ihren Ländern gehört werden, berichtet Meister. Die Stimme der Kirchen werde „in der Zivilgesellschaft genau wahrgenommen“, in den „Netzwerken des demokratischen Gemeinwesens“ sei die Kirche „unersetzbarer Partner“ und werde als wichtige Unterstützerin gesehen, unterstreicht der Bischof.

Eine klare Absage erteilt Meister der „Dealmaker-Kultur“, die er als „zutiefst antidemokratisch“ bezeichnet. Denn in einer Demokratie müsse es immer um einen „fairen Ausgleich“ gehen, „damit möglichst alle Menschen Anteil an diesem demokratischen Gemeinwesen haben können“. Gegen einen fairen Handel sei nichts einzuwenden. Aber wenn es um nationale oder gar persönliche Gewinne auf Kosten anderer gehe, „wenn Narzissmus und antiegalitäre Machtstrategien dahinterstehen“, sei „Dealmaking ein Verrat an der Demokratie“.

Bei der dreitägigen Klausur brachten Vertreter:innen lutherischer Kirchen aus Frankreich, Großbritannien, Tschechien, Ungarn und Österreich unterschiedliche Perspektiven ein. Thematische Inputs lieferten der Präsident der Lutherischen Weltbundes, Bischof Henrik Stubkjær, GEKE-Generalsekretär Mario Fischer, Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, Migrationsforscherin Judith Kohlberger und Sozialforscher Günther Ogris. Am Sonntag besuchten die Tagungsteilnehmer:innen den Gottesdienst in der Lutherischen Stadtkirche, den Pfarrer Johannes Modeß gestaltete. Auf dem Programm standen auch Besuche demokratiefördernder kirchlicher Initiativen, wie etwa des „ASH – Forum der Zivilgesellschaft“ oder des Projekts „Warmes Platzerl“ der evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Simmering, über das Pfarrerin Anna Kampl informierte. Der Rektor des Werks für Evangelisation und Gemeindeaufbau, Patrick Todjeras, stellte den Tagungsteilnehmer:innen den Prozess „Aus dem Evangelium leben“ vor.

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