Wann reicht es endlich?

 
von Evangelischer Pressedienst

Julia Schnizlein über eine Einladung zur Dankbarkeit

Wann habe ich genug? Genug erreicht, genug gesehen, genug beigetragen? Kommt irgendwann der Moment, in dem ich mich zurücklehne und denke: Jetzt reicht es? Ich bin erfolgreich genug, geliebt genug, fit genug. Ich habe genug verdient, genug gelernt, genug Anerkennung gespürt, war genug für andere da.

Wir leben in einer Zeit fast unbegrenzter Möglichkeiten. Alles scheint immer noch ein Stück weitergehen zu können: mehr Reisen, mehr Projekte, mehr Geld, mehr Selbstoptimierung. Das klingt verheißungsvoll – und doch bleibt oft ein Gefühl zurück: Es ist nie genug.

Vielleicht ist die ehrlichere Frage gar nicht: „Habe ich genug?“ Sondern: „Bin ich genug?“
Diese Frage bohrt tiefer. Bin ich liebenswert, so wie ich bin? Reicht mein Leben, wenn ich nicht glänze? Kann ich es aushalten zu sagen: Ich bin genug?

Viele suchen ihre Antwort im Außen. Komplimente, Karriere, Likes helfen ein Stück – aber sie tragen nicht lange. Auch Anerkennung im Ehrenamt kann zum Maßstab werden: Wer unermüdlich mithilft, Feste organisiert oder sich in Vereinen engagiert, wird geachtet und geschätzt. Doch was, wenn ich einmal nicht mehr kann?

Erntedank erinnert uns daran: Wir müssen nicht alles selbst schaffen. Wir dürfen dankbar annehmen, dass uns so vieles geschenkt ist. Dieses Fest sagt Danke – nicht nur für volle Körbe und gesättigte Mägen, sondern vor allem für das, was nicht in unserer Hand liegt. Denn ganz ehrlich: Die Ernte liegt nicht in unserer Hand. Wir können säen, pflanzen, pflegen – aber ob die Saat wächst, ob Wind und Wetter gnädig sind, das entscheiden nicht wir.

Und genau hier setzt eine andere Stimme an: die Stimme Gottes. Sie sagt: Du musst dich nicht ständig beweisen, denn das Leben liegt ohnehin nicht in deiner Hand. Und auch dein Wert hängt nicht davon ab, was du sammelst, leistest oder schaffst. Dein Leben ist genug – auch wenn es nicht vollkommen ist.

So ist Erntedank mehr als ein Brauch mit Umzügen, Äpfeln und Kürbissen. Es ist eine Einladung, dankbar auf das zu sehen, was da ist und damit eine kleine Übung gegen das ständige Gefühl von Mangel. Erntedank ist eine sanfte Unterbrechung, die sagt: Du musst nicht immer mehr sein. Es ist genug. Du bist genug.

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