Reformationstag schlägt Brücke von der Vergangenheit in Gegenwart und Zukunft

 
von Evangelischer Pressedienst

Geist bei Festpredigt: Auftrag aus dem Liebesgebot heraus

Wien (epdÖ) – Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg und stieß damit eine Reform der Kirche an. Diesem bedeutsamen Ereignis widmeten sich am Reformationstag zahlreiche Zeitungsbeiträge, überdies feierten in ganz Österreich Evangelische besondere Festgottesdienste.

Bei seiner Predigt in der Währinger Lutherkirche betonte etwa der Wiener Superintendent Matthias Geist, dass der Reformationstag noch immer ein Zeichen des Aufbruchs sei, aber auch an die Kritik an falschen gesellschaftlichen Dogmen erinnere. „Evangelische bleiben politisch und mischen sich in Machtverhältnisse im Kleinen und im Großen ein. Das tun wir aus dem Liebesgebot heraus schon immer, weil es unser Auftrag ist“, so Geist. „Aberwitzige“ Freiheitsankündigungen und -deutungen der heutigen Zeit gingen häufig auf Kosten anderer und müssten von christlicher Seite scharf zurückgewiesen werden. „Da haben wir als Evangelisch-Lutherische Kirche eine starke Tradition, die immer schon hellhörig war, wenn ein Diskurs nicht auf Augenhöhe geschieht“, erinnerte Geist an das dreifache Gebot der Liebe – Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich selbst -, das für die Evangelischen Kern der christlichen Ethik ist.

Rehner: Ständige Erneuerung

In einer Kolumne für die „Kleine Zeitung“ schrieb der steirische Superintendent Wolfgang Rehner, dass die Reformation vor 500 Jahren die Sehnsucht der Menschen ansprach: nach Freiheit, Ermächtigung und Mündigkeit. „Reformatorischer Glaube versteht die Menschen als mündige Kinder Gottes, der ein Herz hat, das brennt für die Menschen“, so Rehner. „Dieser Gott traut uns zu, verantwortungsvoll zu leben.“ Außerdem mache er das Leben leicht und frei, „denn er ist ein Gott, der Vergebung liebt“.

Aufgabe der Kirche sei es, die Seelen zu stärken mit der Botschaft: „Gott misst seine Menschen nicht an ihren Fehlern, sondern an ihrem Vertrauen.“ Eine solche Kirche habe das Ziel, Freiheit, Verantwortung und Mündigkeit zu ermöglichen, unterstrich der Superintendent in seinem Gastkommentar. Und: „Der heutige Reformationstag erinnert daran, dass die Kirche dafür einer ständigen Erneuerung bedarf.“

Dantine: Bedingungslose Annahme und Neuaufbrüche

Im Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ am Reformationstag brauche es Neuaufbrüche – auch in der aktuell angespannten Zeit, in der die Evangelische Kirche mit einem Mitgliederrückgang und weniger werdenden Pfarrer:innen kämpfe. Das betonte Olivier Dantine, Superintendent für Salzburg und Tirol, wo die Evangelische Kirche 10.600 Mitglieder zählt.

Reformation bedeute mehr als die „Geburtsstunde“ der evangelischen Kirche, fuhr Dantine fort. „Die Reformatoren haben für die Kultur- und Geistesgeschichte Europas wesentliche Impulse gesetzt. Nicht zuletzt war die Reformation ein Bildungsprogramm.“ So müsse ein „mündiges Christsein“ auch heute Ziel sein. Wenn Evangelische Reformation feiern, „dann feiern wir die theologische Erkenntnis, dass Gott jeden Menschen bedingungslos annimmt.“ Er halte das für eine entlastende und befreiende Botschaft in einer Gesellschaft, die vom Leistungs- und Selbstoptimierungsdruck geprägt sei, sagte Dantine.

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