30 Jahre nach Roma-Attentat in Oberwart: „Niemals vergessen“

Jonischkeit: „Aufgabe jedes einzelnen, lautstark und aktiv gegen Unmenschlichkeit aufzutreten“

 
von Evangelischer Pressedienst

Jonischkeit: „Aufgabe jedes einzelnen, lautstark und aktiv gegen Unmenschlichkeit aufzutreten“

Oberwart (epdÖ) – Unter dem Motto „Niemals vergessen“ stand am Dienstag, 4. Februar, in Oberwart das Gedenken an das Attentat auf Angehörige der Volksgruppe der Roma vor 30 Jahren. Teil des Gedenkens war ein ökumenisches Gebet u.a. mit dem burgenländischen Superintendenten Robert Jonischkeit, dem Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics und dem Wiener Weihbischof Franz Scharl, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für die Roma-Seelsorge zuständig ist.

Vier Angehörige der Volksgruppe der Roma – Josef Simon, Peter Sarközi sowie Karl und Erwin Horvath – waren in der Nacht auf den 5. Februar 1995 in Oberwart durch eine Rohrbombe ums Leben gekommen. Die Männer wollten eine Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ entfernen, die der Bombenbauer Franz Fuchs als Sprengfalle vorbereitet hatte. Der Anschlag war eines der folgenschwersten Attentate in Österreich seit 1945.

Am 4. Februar 1995 starben nicht nur die vier Männer „durch den feigen Anschlag mit einer Sprengfalle“, sondern zugleich sei auch „ein Stück unserer Menschlichkeit gestorben“, betonte Superintendent Jonischkeit in seiner Ansprache: „Unmenschlich das Attentat selbst, unmenschlich die ersten Reaktionen so vieler Menschen, die gleich zu wissen meinten, das könne nur eine sogenannte Zigeunerfehde gewesen sein, unmenschlich die Diskriminierungen gegen Romnja und Roma, Sintizze und Sinti bis heute“, bekräftigte Jonischkeit.

Menschlichkeit zurückgewinnen

„Wenn wir unsere Menschlichkeit zurückgewinnen wollen, dann dürfen wir nie aufhören, uns zu erinnern. An die dunkelsten Jahre unserer Geschichte, in denen eine rassistische und menschenverachtende Ideologie zum Massenmord geführt hat, aber auch an jenen Tag vor 30 Jahren, an dem seine rechtsextreme, fremdenfeindliche und nationalistische Verblendung Franz Fuchs dazu gebracht hat, vier Menschen zu ermorden“, sagte Jonischkeit. Dabei sei es die tägliche Aufgabe jedes einzelnen, „lautstark und aktiv gegen Unmenschlichkeit aufzutreten und uns für die Menschen einzusetzen, die unsere Hilfe brauchen“.

Möge dieser „Ort des Schreckens und des Todes“ am Rand von Oberwart zum „Ort des Lebens“ und zu einem „Ort der Umkehr, der Versöhnung und der Hoffnung“ werden, erbat Bischof Zsifkovics bei der Gedenkfeier, die auch Pfarrerin Sieglinde Pfänder und die Pfarrer Matthias Platzer, Janós Schauermann und Richárd Kádas mitgestalteten.

Van der Bellen: „Erinnerung wachhalten“

Das Gedenken in Oberwart begann in der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik mit einer Präsentation von Schülerinnen und Schülern sowie einer Lesung des Autors Stefan Horvath, der bei dem Attentat seinen Sohn verloren hatte. Darüber hinaus gab es ein Impulsreferat der Historikerin Ursula Mindler-Steiner sowie Videobotschaften von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundesministerin Susanne Raab.

Das Attentat war nicht nur ein Verbrechen an den vier Ermordeten, „sondern ein Angriff auf uns alle, ein Angriff auf ein friedliches Zusammenleben, auf Würde und Menschlichkeit“, hob Bundespräsident Van der Bellen in seiner Botschaft hervor. Auch 30 Jahre später „schmerzt der Verlust und ermahnt uns, nie zu vergessen. Wir müssen und wollen die Erinnerung wachhalten, an die Opfer, an das Unrecht und unsere Verantwortung“, so der Bundespräsident.

Ministerin Raab unterstrich in ihrer Videobotschaft den unbedingten Einsatz für ein friedliches Miteinander aller Bevölkerungsgruppen in Österreich. Jede Form von Rassismus, Extremismus und Antiziganismus müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpft werden. Zugleich gelte es, eine würdevolle Gedenkkultur weiterzuentwickeln, so Raab.

Stefan Horvath schloss seine Lesung mit optimistischen und zugleich mahnenden Worten. Der Anschlag habe die Republik wachgerüttelt. „Jetzt können wir tatsächlich mit Fug und Recht stolz behaupten, dass Österreich eines der besten Minderheitengesetze hat, die es in Europa gibt – Gott sei Dank, aber wir alle tragen eine Verantwortung dafür, dass es auch so bleibt“, so Horvath. In den vergangenen 30 Jahren sei viel Aufklärungsarbeit geleistet worden, dennoch sei die Geschichte der Roma immer noch nicht im kollektiven Bewusstsein verankert, sagte die Historikerin Ursula Mindler-Steiner: „Dass letztes Jahr beschlossen wurde, in Wien ein zentrales Denkmal für die Roma NS-Opfer zu errichten, gibt Hoffnung. Es ist eine wichtige Geste des Respekts und der Anerkennung“, so Ursula Mindler-Steiner.

Stimmungsvoller Höhepunkt der Gedenkfeier war ein Schweigemarsch zum Roma-Mahnmal „Am Anger“, dem Ort des Attentats, musikalisch begleitet von der Polizeimusik Burgenland. An der Gedenkstätte folgten das ökumenische Gebet sowie Ansprachen von Bürgermeister Georg Rosner und Landesrat Leonhard Schneemann. „Der Kampf gegen Rassismus endet nie“, sagte Rosner. Er erfordere „ständige Wachsamkeit, Mut und Engagement – in den Schulen, in den Gemeinden, in der Politik und in der Gesellschaft“. Man gedenke der Opfer mit Trauer, aber auch mit Entschlossenheit. „Wir müssen ihre Namen bewahren und aus der Vergangenheit lernen. Denn eine Gesellschaft, die erinnert, ist eine Gesellschaft, die lebt“, so Rosner.

In Vertretung von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil ergriff Landesrat Leonhard Schneemann das Wort. „Wir gedenken heute nicht nur der Opfer, sondern wir erheben unsere Stimmen für eine Zukunft, in der sich solche Taten nie wiederholen dürfen“, sagte Schneemann. Gedenkstätten wie jene „Am Anger“ sollten ein Mahnmal und ein Zeichen der Solidarität mit der Roma-Gesellschaft sein, so der Landesrat.

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