Schulstanitzel

Michael Chalupka über einen Brauch zum Schulbeginn
Auch Schultüten haben Normgrößen, zwischen 70 und 85 cm sollten sie messen. Sie sollten jedenfalls die Größe der Kinder nicht überragen. Wie uns der Name schon sagt, ist die Schultüte keine österreichische Erfindung, sonst hieße sie ja Schulstanitzel.
Die Süßigkeiten, die sich darin finden, kann man in zweifacher Weise deuten. Zum einen mögen sie als Trost gedacht sein für die Härten des zukünftigen Alltags, die der Schulanfang mit sich bringt. Trost für das zu frühe Läuten des Weckers und für den Beginn des Unterrichts zu nachtschlafener Zeit. Beginnt doch, wie man sagt, mit der Schule auch der Ernst des Lebens, und zu Schulanfang wird manche Träne vergossen.
Die Schultüten können aber auch Verheißungen in sich tragen. Die Neugierde nach noch nie Gehörtem kann süß schmecken. Lesen zu lernen eröffnet ganz neue Welten, die nach Honig und Kokos riechen können. Die Schule mag kein Zuckerschlecken sein, aber sie sollte ein Ort sein, an dem sich Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrenden wohl fühlen und eine Reise unternehmen können, die immer wieder Überraschungen bringt, je tiefer man in die Tüte greift.
In der jüdischen Elementarschule, dem Cheder, bekamen die Kinder, wenn sie zum ersten Mal kamen, süße Sachen von ihrem Lehrer. Dieser Brauch sollte an das Psalmwort: „Dein Wort sei in meinem Munde wie süßer Honig“, erinnern. In jeder Schultüte steckt die Vorfreude auf neue Abenteuer.