Armutskonferenz sieht „blinde Flecken“ in Regierungsverhandlungen
![](https://evang-wien.at/sites/www.evang-wien.at/files/styles/ao_media_base_full/public/fallbackbild-epdoe-news.jpg?itok=o-2X3ie6)
Schenk: „Leistbares Wohnen und gutes Gesundheitssystem zu wenig Thema in öffentlicher Debatte“
Wien (epdÖ) – Für eine stärkere Thematisierung von Wohnen, Gesundheit, Kinder, Armut und ein gerechtes Budget im Rahmen der Regierungsverhandlungen spricht sich in einer aktuellen Aussendung die „Armutskonferenz“ aus.
„Für uns alle ist leistbares Wohnen und ein gutes Gesundheitssystem zentral. Das ist viel zu wenig Thema in der öffentlichen Debatte rund um die Regierungsverhandlungen“, weist Martin Schenk vom NGO-Bündnis auf die „blinden Flecken“ hin. „Wenn sozialer Zusammenhalt, Schutz vor Armut oder gute Aufstiegschancen nicht als Ziele formuliert werden, wird die Zukunft für den ärmeren Teil der Bevölkerung düster“, warnt der Sozialexperte. „Frauenpolitische Anliegen kommen überhaupt nicht vor“, ergänzt Doris Pettighofer von der Plattform für Alleinerziehende.
Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Abschwünge seien „kluge Investitionen und soziale Sicherheit besonders wichtig“, unterstreicht das Netzwerk sozialer Organisationen, Selbsthilfeinitiativen, Wissenschaft, Bildungseinrichtungen und Armutsbetroffener. Wichtig sei ein gerechtes Budget, ein „fairer Mix aus einnahmenseitigen und ausgabenseitigen Maßnahmen“. Bereits bei den letzten Budgetkonsolidierungen der Jahre 2000 und 2011 habe das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben jeweils etwa die Hälfte ausgemacht. Gerechter wäre es nach Ansicht der Armutskonferenz auch, den Klimabonus einkommensabhängig zu reformieren, anstatt ihn ersatzlos zu streichen. Die Streichung des Klimabonus sei „ungerecht, weil Leute mit kleinem Einkommen in Stadt und Land die höchsten Belastungen durch die CO2-Steuer“ haben. Am Land verliere eine Familie mit zwei Kindern 870 Euro bzw. das unterste Einkommenszehntel 1,8%, das reichste hingegen 0,3%.
„Langzeitarbeitslose, die dazu verdienen können, bekommen auch rascher wieder einen vollwertigen Job, wie alle Studien dazu zeigen. Der Zuverdienst verkürzt die Langzeitarbeitslosigkeit“, erklärt die Armutskonferenz. Für Menschen, die wegen einer schweren psychischen Erkrankung lange arbeitslos sind, sei der Zuverdienst auch auf eine andere Weise existentiell. Er hilft den Tag zu strukturieren, soziale Kontakte zu pflegen und selbst aktiv zu bleiben.
Das Arbeitslosengeld sei im internationalen Vergleich in Österreich „sehr niedrig“ und die Armutsraten von Erwerbsarbeitslosen überproportional hoch. „Wird das Arbeitslosengeld jetzt insgesamt noch weiter gekürzt, die Notstandshilfe wie bei Hartz IV abgeschafft beziehungsweise befristet?“ fragen die Organisationen.
„Auf die neuen sozialen Risken angemessen reagieren“
„Auf die neuen sozialen Risken wie prekäre Jobs oder psychische Erkrankungen muss angemessen sozialpolitisch reagiert werden“, fordert die Armutskonferenz. Schließlich gebe es auch im Gesundheitsbereich zahlreiche Baustellen. Erforderlich seien eine bessere Versorgung mit psychosozialen Notdiensten gerade im ländlichen Bereich, kassenfinanzierte Therapieangebote und eine qualitative Verbesserung der Gutachtersituation. Seit Jahren würden Zehntausende leistbare Therapieplätze für Kinder und chronisch Kranke fehlen, kritisiert die Armutskonferenz. Zudem weise das österreichische Schulsystem eine im internationalen Vergleich hohe soziale Vererbung auf. Leistbares Wohnen in Städten sei ein wachsendes Problem für kleinere Einkommen, und Prekarität sowie „Working Poor“ gehörten weiter „zum großen verschwiegenen Thema hinter der Mindestsicherung“, so die Armutskonferenz.
Allerdings gebe es schon jetzt „ausreichend Instrumente und Möglichkeiten“ in den Bereichen Bildung, Wohnen und soziale Dienstleistungen, um Armut entgegenzuwirken, erinnert die Armutskonferenz an bisherige Maßnahmen. Konkret fordert sie Investitionen in alltagsunterstützende Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Frühförderung, Beratungsangebote für Menschen in sozialen Notlagen sowie Wohnangebote für Jugendliche und Schuldenberatung. „Hier entstehen Win-win-Situationen zwischen Einkommen, Arbeitsplätzen, Frühförderung von Kindern und Entlastung pflegender Angehöriger“, hebt das NGO-Netzwerk hervor. Überdies wirke ein Bildungssystem, das den sozialen Aufstieg fördert und nicht sozial selektiert, so die Armutskonferenz.