Zwischenzeit

 
von Evangelischer Pressedienst

Julia Schnizlein über das Licht in der Osternacht

Es gibt diese Momente, da verändert sich etwas. Da kippt etwas. Aber du weißt noch nicht, wohin es kippt. Du stehst zwischen Gestern und Morgen. Zwischen Ende und Anfang. Zwischen Alt und Neu. Du befindest dich in einer „Zwischenzeit“: Vor einer Entscheidung, die noch nicht gefallen ist. In einer Trauer, die noch keinen Trost kennt. Mit einer Diagnose, die noch keinen Behandlungsplan hat. Vor einer Trennung, die noch nicht vollzogen ist. Am Ende eines Berufsweges, in einer Leere, die erst gefüllt werden muss.

Veränderung klingt oft nach Abenteuer, nach mutigem Aufbruch. In Wahrheit fühlt sie sich aber meistens an wie Kontrollverlust. Wie die wackelige Brücke zwischen dem, was war, und dem, was vielleicht kommt. Und dazwischen liegt Angst. Lähmend und lauernd. Denn wer weiß schon, ob das Neue besser ist? Wer garantiert, dass am Ende etwas Gutes wartet?

Wir Menschen sind Gewohnheitstiere mit Hang zur Planung. Und wenn der Lebensweg plötzlich eine Biegung nimmt, mit der wir nicht gerechnet haben, klammern wir uns an das Altbekannte – selbst wenn das längst nicht mehr passt.

Ein Moment im christlichen Kirchenjahr, der diese „Zwischenzeit“ aufgreift und spürbar macht, ist die Osternacht. Die Nacht zwischen Karsamstag und Ostern. Die Gottesdienste in der Osternacht beginnen meistens völlig im Dunkeln. Nur langsam und zaghaft wird die Osterkerze in die dunkle Kirche getragen. Ein kleines Licht gegen die große Nacht.

Die Osternacht fordert uns auf und lädt uns ein, in die Dunkelheit zu gehen – in die Ungewissheit, dorthin wo es weh tut. Die Osternacht ist die Brücke zwischen Altem und Neuem. Sie verspricht uns: Auch wenn du es noch nicht sehen kannst, die Dunkelheit wird ein Ende haben. Es wird wieder hell. Gott spannt eine Brücke über das unruhige Fahrwasser deines Lebens. Sie ist nicht immer sichtbar. Aber tragfähig. Eine leise, tragende Hoffnung – mitten im Übergang. Manchmal erkennt man die Brücke auch erst im Rückspiegel. Rückblickend erkennt man: Da war Gott da.

Gott ist nicht nur am Anfang oder am Ziel, sondern mitten im Übergang. In der ungewissen Zwischenzeit. Und er führt dich durch deine Ängste ins Licht.

Und wenn nach dieser Osternacht die Sonne aufgeht, dann ist Ostern da. Dieses alte Fest des Neubeginns, das genau davon erzählt. Vom Bruch. Von der Ungewissheit und Trauer. Von der Nacht, in der alles verloren schien. Und von einem Morgen, der nicht spektakulär begann – sondern still. Mit einem Grab, das leer war, und einer Hoffnung, die leise aufkeimte.

Ostern sagt nicht: Du musst keine Angst haben. Es sagt: Du darfst Angst haben – und trotzdem weitergehen. Denn Wandlung geschieht nicht trotz der Dunkelheit, sondern mitten in ihr. Und am Ende ist vielleicht nicht alles wieder gut. Aber es wird anders. Und manchmal – ganz unverhofft – auch besser.

Instagram: @juliandthechurch

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