„Unseren Glauben lebens- und gegenwartsnah leben“

 
von Evangelischer Pressedienst

Die designierte Bischöfin Cornelia Richter im Interview

Wien (epdÖ) – Bei der letzten Synode der Evangelischen Kirche A.B. wurde Cornelia Richter mit überwältigender Mehrheit zur Nachfolgerin von Bischof Michael Chalupka gewählt. Die gebürtige Oberösterreicherin, die viele Jahre als Theologieprofessorin in Bonn tätig war, wird am 8. November in ihr Amt als erste evangelisch-lutherische Bischöfin in Österreich eingeführt. Die „SAAT“ hat mit Richter über geplante Schwerpunkte ihres Wirkens, ihren begeisternden Kontakt mit jungen Menschen und die Vorbildwirkung ihrer Wahl für Frauen gesprochen. Und sie gefragt, ob das Bischöfinnenamt eigentlich ein Schritt auf der Karriereleiter ist.

SAAT: Was werden Ihre ersten Handlungen als Bischöfin sein?

Cornelia Richter: Das Wichtigste ist: Lernen, wer was macht, wer wofür zuständig ist. Damit habe ich am Tag nach der Wahl begonnen: Ich spreche mit allen Mitarbeitenden im Wiener Kirchenamt, mit der Präsidentin der Synode, den Superintendenten und ihren Teams. Parallel dazu beginne ich ab Januar 2026 mit Besuchen in Gemeinden quer durch Österreich. Am Anfang stehen auch die Antrittsbesuche bei den Vertreterinnen und Vertretern der Politik und der anderen Religionsgemeinschaften. Ich bin sehr dankbar, dass Bischof Chalupka für all diese Dinge zu einer ausführlichen Übergabezeit bereit ist und seinen Erfahrungsschatz aus Diakonie und Kirche mit mir teilt.

Wie sehen Ihre wichtigsten Anliegen und Schwerpunkte als Bischöfin aus?

Gemeinsam mit Menschen aller Altersgruppen genauer herausfinden, wo und wie wir sie in der Kirche begleiten und unterstützen können. Unsere Gemeinden sind hoch engagiert. Trotzdem wissen viele Menschen nicht, was die Kirche ihnen bieten könnte – und mein Verdacht ist: Vielleicht wissen wir das in den Kirchen manchmal selbst nicht so genau und bieten deshalb lieber das an, was immer schon so war. Vieles davon ist auch gut und richtig! Aber ich bin sicher, dass wir genauer verstehen können, wo uns vor allem die jungen Menschen heute wirklich brauchen. Denn die Zeiten sind schwierig, es gibt so viele ungelöste Konflikte – Kirche kann und darf die jungen Generationen in all dem nicht alleine lassen.

Was bringen Sie aus Ihrer jetzigen/vorherigen Tätigkeit für das Bischöfinnenamt mit?

Ich arbeite seit vielen Jahren intensiv mit jungen Generationen zusammen: Studierende, Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs – also einer Altersgruppe zwischen 19 und 40. Ich bin immer wieder begeistert, wie viel Wissen, Engagement, Lebensgeschick und Lebensklugheit diese jungen Menschen mitbringen und wie sehr sie darum kämpfen, eine Gesellschaft zu finden, in der man gut miteinander leben kann.

Jetzt kommt es darauf an, gemeinsam mit ihnen die Kirche so zu gestalten, dass ihre Bedürfnisse, Interessen und Lebensformen darin aufgehoben sind, dass sie sich bei uns beheimatet fühlen. Damit das gelingt, braucht es einen professionellen Umgang mit unseren Strukturen als Institution, mit Rechts- und Personalangelegenheiten und mit der Öffentlichkeitsarbeit. All das habe ich an der Universität gelernt. Auch dort mussten wir an vielen Stellen neu denken und sagen: „Bisher war es so, aber jetzt passt es nicht mehr. Wie können wir es anpassen, sodass alle so gut wie möglich arbeiten können?“ Diese Prozesse mit der nötigen Klarheit und Direktheit durchzuführen, das bringe ich nach Österreich mit.

Was bedeutet das Amt der Bischöfin für Sie persönlich?

Ich bin in den letzten Wochen oft gefragt worden, ob das ein „Karriereschritt“ sei, aber das Wort passt nicht recht. Das Bischofsamt ist kein Schritt auf der Karriereleiter im Sinn von höherem Gehalt, mehr Personal, mehr Freiraum. All das ist es nicht, eher im Gegenteil. Das Amt der Bischöfin steht aber sehr wohl für die höchstmögliche Anerkennung als Theologin und geistliche Amtsträgerin: In dieser Hinsicht übersteigt das Amt der Bischöfin an Bedeutung jede einzelne Professur und reicht weit über die Leitung einer Fakultät oder Universität hinaus. Ich bin daher nach wie vor überaus dankbar für die einhellige Nominierung quer durch Österreich, weil sie ein Vertrauen zum Ausdruck bringt, das eine echte Basis ist für die Zukunft.

Deshalb habe ich die Wahl und das Amt sehr gerne angenommen. Es ist mir wichtig, dass wir den christlichen Glauben, das Christentum als Gemeinschaft, unsere Spiritualität so lebens- und gegenwartsnah wie möglich leben. Dass das Geistliche und Spirituelle Gehör findet und man auf diese Weise dazu beitragen kann, unsere Gesellschaft persönlicher und friedlicher zu machen.

Ihre Wahl als Bischöfin ist natürlich ein Zeichen innerhalb der Evangelischen Kirche und der Kirchen. Ist sie auch ein gesellschaftliches Zeichen für Österreich?

Das ist ganz sicher so, weil jede Wahl einer Frau in einem männerdominierten Feld ein Signal setzt und Vorbildwirkung entfaltet. An der Universität Bonn bin ich als Dekanin und Senatsvorsitzende in die Ausstellung „Her mit den PortrAIts“ aufgenommen worden, einer Portraitserie zu ersten Frauen in der Wissenschaft. Das allein war ehrenhaft genug. Aber noch viel mehr habe ich mich gefreut, als plötzlich junge Frauen vor meinem Portrait Selfies aufgenommen haben, nach dem Motto: „Schaut mal, Karriere ist möglich, und wir sind mit dabei!“

Man hat in solchen Ämtern Vorbildwirkung, und das gilt selbstverständlich auch für das Bischofsamt. Die Voraussetzung ist natürlich, dass man für die Aufgaben qualifiziert ist, die nötige Disziplin und Beharrlichkeit mitbringt, sich durchsetzen und damit umgehen kann, eine öffentliche Person zu sein – naiv darf man an solche Ämter nicht herangehen. Aber wenn es dann die Chance gibt, wenn einem der Ball vor die Füße rollt, dann muss man das Tor auch schießen. Ein Leitungsamt bedeutet „jetzt erst recht“, bereit zu sein für sehr intensive Arbeit.

Die SAAT können Sie hier um 39 Euro im Jahr abonnieren.

AKTION – Bestellen Sie jetzt die SAAT und lesen Sie bis Jahresende 2025 kostenlos!

Zum Preis des Jahresabos 2026 erhalten Sie bis 31.12.2025 die SAAT gratis!

Weitere Artikel

Nach Oben