Mein Lehrer

Michael Chalupka über das prägende Wirken einer besonderen Berufsgruppe
„Denkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben.“ Mir ist dieser biblische Satz eingefallen, als ich kürzlich in einem Konzert gesessen, andächtig gelauscht und den Konzertmeister gesehen habe. Da sah ich meinen Musiklehrer vor mir. Es ist rund 50 Jahre her. Er ist nicht mehr unter uns. Nie habe ich ihn ohne seine Geige mit Kinnhalter gesehen. Seine musikalischen Beispiele haben 30 lärmende Buben zur Ruhe und Konzentration gebracht. Neben seiner Lehrtätigkeit spielte er beim Grazer Philharmonischen Orchester. Und er hat Konzertkarten verschenkt. So habe ich viele Saisonen des Grazer Musikprotokolls, einer Serie zeitgenössischer ernster Musik, gehört. Nichts davon habe ich verstanden, aber meinen Lehrer bewundert. So habe ich mich an einen Lehrer erinnert, der mir zwar nicht das Wort Gottes gesagt hat, aber mir einen Schlüssel zum wunderbaren Gottesgeschenk der Musik mitgegeben hat.
Lehrerinnen und Lehrer säen, hegen und pflanzen. Aber die Früchte ihrer Arbeit bekommen sie meistens nicht mit. Lehrer zeigen uns neue Möglichkeiten. Sie sagen Dinge, die wir vorher nicht gewusst haben. Sie bringen uns etwas bei, was wir vorher nicht gekonnt haben. Sie lassen uns Dinge erkennen, die wir vorher nicht gesehen haben. Vor allem aber: Sie machen aus uns Menschen, die wir vorher nicht gewesen sind. Dafür können wir dankbar sein und es ihnen sagen, wohl besser schon zu Lebzeiten.