Himmelsfenster

Michael Chalupka über die Wahrheit „hinter“ den Bildern
Wir leben in der Zeit der Bilderflut. Überall sind wir live dabei. Jeder Moment, auch der privateste, wird festgehalten und veröffentlicht. Sehen wir nun mehr und weiter als früher, da uns bewegte und unbewegte Bilder jederzeit zur Verfügung stehen?
Im Urlaub kommt man ja viel herum, und wer jemals in Griechenland war und dort eine orthodoxe Kirche besucht hat, der weiß, welche Verehrung Bildern zukommen kann. Kunstvoll gestaltet Bilder von Heiligen, Ikonen, werden meditiert und geküsst, um dem Heiligen nahe zu sein. Doch das war nicht immer so. Es gab christliche Gruppen, die in den Bildern ein Hindernis zwischen Gott und den Menschen gesehen haben, die Gläubigen würden die Bilder anbeten und nicht die Dreifaltigkeit, meinten sie. Die Verteidiger der Ikonen, die sich schließlich in den orthodoxen Kirchen durchsetzten, hielten dagegen: Die Ikonenverehrung richte sich nicht auf das Bild, sondern auf die „hinter“ dem Bild präsente Wahrheit. Ikonen verstellten nicht den Blick, sondern seien ein Fenster zum Himmel.
Das wäre doch auch für uns ein Entscheidungskriterium inmitten der Bilderflut. Verweisen uns die vielen Bilder, die täglich über die Mattscheibe und die Social Media-Kanäle flimmern, auf eine Wahrheit, die „hinter“ den Bildern liegt? Sehen wir durch sie weiter, genauer und tiefer? Oder verstellen sie uns den Blick in ihrer oft drastischen Künstlichkeit und Aufdringlichkeit?