Hemd und Rock

 
von Evangelischer Pressedienst

Michael Chalupka über Familien, die auseinandergerissen werden

„Das Hemd ist einem näher als der Rock.“ Das klingt eingängig und überzeugend. Die Geschichte vom Heiligen Martin von Tours, der seinen Mantel mit dem Schwert teilte, um eine Hälfte einem Armen zu geben, weil er den Satz Jesu: „Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan!“ ernstgenommen hat, ist dagegen eine Geschichte für Moralisten und Gutmenschen.

Dass das Hemd näher ist als der Rock, klingt da überzeugender. Ihm folgt auch die Politik. Es wird vorgegeben, wir könnten das Problem des Lehrermangels und der fehlenden Deutschkenntnisse vieler unserer Volksschüler dadurch lösen, dass die Familienzusammenführung anerkannten Flüchtlingen verweigert wird. Sie haben nachgewiesen, dass sie in ihrer Heimat verfolgt wurden. Sie haben in Österreich legal Schutz gefunden. Wir verweigern ihnen, ihre Kinder und Frauen zu sehen, sie in die Arme zu nehmen und in Sicherheit zu wissen. Ein Asylverfahren dauert, die Prüfung der Familienzusammenführung kann Jahre dauern. Genug Zeit, um sich als Regierung darauf vorzubereiten. Jetzt sind alle überrascht und überfordert.

Es gilt ja: Das Hemd ist uns näher als der Rock. Ich frage mich, ob es nicht manche Parlamentarierin und manchen Abgeordneten fröstelt bei dem Gedanken, Familien auseinanderzureißen und in so kalten Zeiten leichtfertig auf den schützenden Rock der Menschenrechte, die für alle gelten, zu verzichten.

Bildquelle: www.depositphotos.com

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