Niemals hört Hass durch Hass auf

 
von Evangelischer Pressedienst

Julia Schnizlein will Love Speech statt Hate Speech

„Bist du deppert! Schleich dich mit dem Gesindel, du XXX…“, hat mich unlängst ein Mann in der U-Bahn angeschrien. Warum? Ich habe einem obdachlosen Mädel zwei Euro gegeben. Hatte sich der Mann zuvor schon aufgeregt, dass das Mädchen überhaupt um Geld bat, steigerte sich seine Wut durch die Münze in der Hand der jungen Frau ins Unermessliche. Zum Glück verließ er den Zug bald. Aber sein Geschrei hat mich noch lange beschäftigt.

Ich habe das Gefühl, dass das Klima in unserer Gesellschaft rauer geworden ist. Bei vielen haben die Lockdowns des vergangenen Jahres tiefe psychische Spuren hinterlassen. Viele fühlen sich im Stich gelassen und vielen fällt es schwer, anderen etwas Gutes zu gönnen.

Die Toleranzschwelle ist gesunken. Auch bei mir. Es fällt mir schwerer als früher, Toleranz für Menschen aufzubringen, die sich auf unmögliche Art öffentlich äußern. Die versuchen, andere einzuschüchtern und mundtot zu machen, so wie jener Mann, der mir unlängst als Reaktion auf meine Kolumne über den „Eva-Mythos“ einen unflätigen Brief geschrieben hat, mit der Schlussformel „Verrecke in der ewigen Hölle“. Hate Speech heißt dieses Phänomen.

Die Konsequenz: Viele ziehen sich zurück. Sie meiden den Diskurs und umgeben sich nur noch mit Gleichgesinnten. Ich selbst frage mich auch manchmal, ob es nicht heilsamer wäre, mich zu manchen Dingen weniger pointiert zu äußern und strittige Themen in Kolumnen und Predigten auszusparen. Neulich habe ich das in einem Gottesdienst erwähnt und daraufhin unheimlich viele wertschätzende, mutmachende Kommentare aus meiner Gemeinde bekommen. Love Speech statt Hate Speech!

Es gibt sie, die Freundlichen und Wohlmeinenden. Auf sie sollten wir hören! Nur leider sind die Pöbelnden und Destruktiven oft lauter. Daher ist es wichtig, ihnen nicht das Feld zu überlassen und sich eben nicht zurückzuziehen, sondern vielmehr daran zu arbeiten, dass unser Miteinander wieder freundlicher wird.

Der Apostel Paulus sagt: Was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer Hass sät, wird Hass ernten. Wer Resignation sät, wird Resignation ernten. Wer Liebe sät, wird es zwar nicht immer leicht haben, aber er wird den Nährboden für eine bessere Welt bereiten.

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