Begegnung beim Eis
Maria Katharina Moser fragt gerne den Faulsten um Rat
Der Frühsommer ist eine gute Zeit für Radtouren. Wer bei strahlendem Sonnenschein durch die Untere Hauptstraße im burgenländischen Gols strampelt, wird vorbei radeln an einer langen Menschenschlange und sich wundern, warum um alles in der Welt sich Menschen vor dem Altenwohn- und Pflegeheim der Diakonie anstellen. Nun, weil im Garten des Diakoniezentrums ein Eisstand steht.
„Wir wollten Raum für Begegnung schaffen, und Eis ist bei allen Generationen beliebt“, sagt Heimleiter Christian Göltl. Angefangen hat das Schaffen des Begegnungsorts Eisstand als Integrationsprojekt mit fünf Asylwerbern, erzählt er. Der aus Damaskus geflohene Agrar-Ingenieur Wisam Almohamed ist an ihn herangetreten mit dem Wunsch, sich sozial zu engagieren. Zu tun gab es genug. Dort, wo heute der Eisstand steht, standen zwei kleine alte Häuser, die abgerissen werden mussten. Die fünf Männer begannen, die Häuser händisch abzutragen. „Irgendwann sind wir vor einem Problem gestanden“, erinnert sich Christian Göltl, „wir haben einfach nicht mehr weiter gewusst. Da hat ein Kollege gesagt: ‚Bei uns zu Hause fragen wir immer den Faulsten, wenn wir ein Problem haben.‘ Gesagt getan. Der ‚Faulste‘ war schnell identifiziert und hatte auch gleich eine Lösung parat.“ Und so steht heute der Eisstand im Garten des Diakoniezentrums Gols.
Mich erinnert diese Geschichte an eine Fabel aus dem antiken Griechenland: Die Glieder des Leibes ärgerten sich, dass sie so viel tun müssen, der Magen aber nur genießt. Und so beschlossen die Hände, keine Speise mehr zum Mund zu führen, der Mund beschloss, keine Speise mehr aufzunehmen, die Zähne, nicht mehr zu kauen usw. In ihrem Zorn wollten sie den Bauch durch Hunger zähmen. Doch wurde der ganze Körper entkräftet. Da wurde den Gliedern klar, dass auch der Bauch einen Dienst tut, wenn er genussvoll verdaut.
Das Bild vom einen Leib und den vielen Gliedern findet sich auch in der Bibel. Die Apostel Paulus verwendet es, um die Teilhabe aller und ganz besonders der Schwächeren zum Ausdruck zu bringen und um vom Reichtum der verschiedenen Begabungen zu erzählen. Die Dinge nicht aus lauter Eifer zu kompliziert zu machen, sondern auch mal den bequemen Weg zu gehen, ist auch eine Begabung, denke ich mir. Genauso wie das Genießen. Auch genießen muss man können. Beim Eisstand im Garten des Altenwohn- und Pflegeheims Gols kann man es üben. Und so nebenbei Vorbehalte abbauen, wie Christian Göltl erzählt: „Da legen viele die Scheu vor einem Besuch im Pflegeheim, die es immer noch gibt, ab. Beim Eis kommen die Leute zusammen.“