Moser: Mit den Brüchen im Leben leben lernen

 
von Evangelischer Pressedienst
  "In jedem Menschen Gottes Ebenbild erkennen" - Diakoniedirektorin Maria Katharina Moser bei der Tagung der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer. Foto: epd/T. Dasek
"In jedem Menschen Gottes Ebenbild erkennen" - Diakoniedirektorin Maria Katharina Moser bei der Tagung der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer. Foto: epd/T. Dasek

Gesamtösterreichische PfarrerInnentagung zum Thema Diakonie und Gemeinde

Leutasch (epdÖ) – Das Verhältnis zwischen Diakonie und Gemeinde steht im Mittelpunkt der diesjährigen gesamtösterreichischen Tagung evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer, die am Donnerstag, 29. August, im Tiroler Bergdorf Leutasch zu Ende geht.

„Diakonie ist einer jener Orte, der Theologie generiert“, meinte Michael Bünker, der das letzte Mal in seiner Funktion als Bischof zur Tagung geladen hatte. Ins Thema führte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser ein, die kurzfristig für den Hamburger Referenten, der aufgrund von Flugverspätungen nicht rechtzeitig eintreffen konnte, eingesprungen war. Zentral für die Standortbestimmung der Diakonie ist für Moser die Frage nach dem „Tisch des Herrn“. Diakonie gehe vom Teilen am Tisch des Herrn aus und führe immer wieder dorthin zurück. Dabei werde die sozial integrative Kraft des Evangeliums deutlich in einer neuen Art des Zusammenlebens ohne wirtschaftliche Benachteiligung oder politische Beherrschung. Bereits im Urchristentum gehe es um veränderte soziale Beziehungen, die auf den Grundwerten der Nächstenliebe und des sozialen Statusverzichts beruhen, „die Grenzziehung zwischen oben und unten wird überwunden“.

Helfen meine nicht „sich herabzulassen“, sondern sei eine „Christusbegegnung, sie entscheidet das Christsein“. In jedem Menschen Gottes Ebenbild zu erkennen, darin unterscheide sich die Diakonie auch von anderen Hilfsorganisationen. Wenn Zuwendung und Unterstützung von Menschen bedeute, sich Christus zuzuwenden, gelte umgekehrt: „Wer Menschen ausbeutet, ausgrenzt, ungerecht behandelt oder einfach nur im Mittelmeer ertrinken lässt, vergreift sich an Christus.“

Deutlich wandte sich Moser gegen die Stigmatisierung von Hilfe suchenden Menschen: „Menschen dürfen nicht auf soziale Probleme reduziert werden.“ Dadurch würden sie auf Passivität festgelegt, „sie werden zu Opfern und Objekten der Hilfe, und wenn sie sich nicht entsprechend verhalten, zu Tätern, die die Hilfe nicht verdienen“, wie es etwa in der Diskussion um die Mindestsicherung zu beobachten sei. Die Diakonie dagegen unterstütze Menschen dabei, wieder „Subjekte der Gesellschaft“ zu werden, „wir sehen die Einmaligkeit der konkreten Person mit ihrem Namen, ihrer Geschichte, ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten“.

Statt sozial schwierige Situationen der persönlichen Verantwortung zuzuschreiben, müssten sie strukturell betrachtet werden, „diakonisches Handeln muss immer auch Protest sein und nach den Bedingungen fragen, die die Not hervorrufen, und diese verändern“. Hilfe anzunehmen sei „nichts, wofür man sich schämen muss“. Abhängigkeit dürfe nicht stigmatisiert werden, vielmehr sei Ziel der diakonischen Praxis, „mit den Brüchen im Leben leben zu lernen“. Jeder Mensch sei angewiesen und bedürftig, das gehöre zum Menschsein. Gleichzeitig habe auch jede/r etwas zu geben, „niemand steht ohne Gaben da“, ist die Diakonie-Direktorin überzeugt. Ziel sei eine „inklusive Gemeinschaft, die auch aus den Stärken und Ressourcen lebt, die den Schwachen geschenkt sind“.

Gemeinden seien jene Orte, die diese Gemeinschaft möglich machten. Dem pflichtete Oberkirchenrätin Ingrid Bachler in der folgenden Diskussion bei: „Gemeinden schaffen Räume, um Zukunftsperspektiven zu entwickeln.“ Wesentlich sei der Bruch mit der „Defizitperspektive“ und zu vermitteln, „dass die Gaben des bzw. der Einzelnen überwiegen und Zukunft eröffnen“.

Der für Diakonie zuständige Oberkirchenrat Karl Schiefermair stellte gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort am Mittwoch exemplarisch Modellgemeinden vor. „Wir wollen zeigen, dass jede Pfarrgemeinde in ihrem Kontext in der Lage ist, nicht nur diakonische Gedanken weiterzutragen, sondern selbst diakonisch wirksam zu sein“, so der Oberkirchenrat im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Die angesprochenen Beispiele zeigten eine Bandbreite vom der städtischen Wärmestube über Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit und beim Thema Kirchenasyl bis hin zum eigens für diakonische Fragen eingeführten Steuerungsgremium einer Pfarrgemeinde, wie es etwa im Modell des „Diakoniums“ der Wiener reformierten Pfarrgemeinden umgesetzt ist.

Für Mittwochabend stand noch ein Empfang der Tiroler Landesregierung auf dem Programm, am Donnerstag geht die Tagung mit einem gemeinsamen Gottesdienst zu Ende.

Offizieller Empfang des Landes Tirol anlässlich der Tagung der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Leutasch. Foto: Iris & Alois Krug

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