Wien: Enquete diskutiert kooperativen Religionsunterricht

 
von Evangelischer Pressedienst

Fachleute aus neun Kirchen und Religionsgemeinschaften treten am 18. November im Wiener Rathaus in Dialog mit Eltern-, Schüler- und Lehrervertreter:innen

Wien (epdÖ) – Kooperative Modelle des Religionsunterrichts, die der auch religiös immer vielfältigeren Gesellschaft Rechnung tragen, stehen am 18. November im Fokus einer Enquete im Wiener Rathaus. Unter dem Motto „Gemeinsam.Zukunft.Bilden“ diskutieren Expert:innen aus neun Kirchen und Religionsgemeinschaften mit Verantwortlichen aus der Bildungspolitik, der Eltern- und Schülerschaft, des Lehrpersonals sowie anderen Beteiligten. Inhaltlich geht es um Potenziale, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven des Religionsunterrichts, mit besonderem Blick auf dessen Beitrag zur Demokratiebildung, hieß es in einer Aussendung der Veranstalter.

Schulamts-Leiterin Andrea Pinz von der Erzdiözese Wien wies darauf hin, dass die vielfältigen Herausforderungen durch den Gesellschaftswandel auch „Chancen und innovative Ansätze“ für die Schulen eröffneten. Bei der Enquete wolle man die vielfältigen Aspekte religiöser Bildung „gemeinsam weiterdenken“, insbesondere die Potenziale und Grenzen gemeinsam verantworteter Modelle des Religionsunterrichts, welche die „demokratiestärkende Kraft“ des Unterrichtsfachs auf besondere Weise sichtbar machen würden. Beim sogenannten kooperativen Religionsunterricht werden Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Bekenntnisse – anders als bisher üblich – gemeinsam unterrichtet.

Seitens der Kirchen und Religionen beteiligen sich an der Enquete die Evangelische Kirche, die Katholische Kirche, die Alevitische Glaubensgemeinschaft, die Altkatholische Kirche, die Buddhistische Religionsgesellschaft, die Freikirchen, die Islamische Glaubensgemeinschaft, die Israelitische Kultusgemeinde sowie die Orthodoxe Kirche.

Geist: „Befähigung zu reflektierter Toleranz“

„Ich bin überzeugt, dass die Religionsgemeinschaften und ihre Schulämter mit der Enquete im Rathaus einen proaktiven und sehr konstruktiven Schritt nach vorne wagen“, erklärte der Wiener Superintendent Matthias Geist. Es müsse das Recht aller Schüler:innen sein und bleiben, im öffentlichen Bildungswesen religiöse Bildung zu erhalten. „Alle mitwirkenden Religionsgemeinschaften sehen sich verpflichtet, Sichtweisen über Lebensfragen auszutauschen und Schüler:innen zu reflektierter Toleranz zu befähigen. Ich hoffe, dass durch die Diskussionsforen vor Ort Vorurteile abgebaut und neue Wege gefunden werden“, hob Geist hervor. Jede dialogische Form, den Religionsunterricht zu gestalten, bringe der heranwachsenden Generation langfristig Sicherheit im Umgang mit anderen Religionen und kulturellen Prägungen. „Diesen Benefit sollten wir alle, die in der Bildung Verantwortung tragen, nicht aufs Spiel setzen“, so der Superintendent.

Die Leiterin des Schulamtes der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, erklärte, dass es allen bei der Enquete Teilnehmenden zuerst ums „Hinhören“ gehe. Man werde die anwesenden Schüler, Eltern, Lehrer und Pädagogen nach ihren bisherigen Erfahrungen sowie nach den Vorstellungen, Ideen, Wünschen und Erwartungen für den konfessionellen Religionsunterricht der Zukunft fragen.

Handschin: „Lernen, mit Vielfalt umzugehen“

„Die Gemeinden der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich sind international zusammengesetzt. Kinder und Jugendliche unserer Kirche lernen im Leben der Gemeinde und der Gesamtkirche, mit dieser Vielfalt umzugehen“, erklärte Pastorin Esther Handschin, Beauftragte für Religionsunterricht der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich, in einem aktuellen Statement. Die Gemeinden ihrer Kirche würden ihre kirchlichen Erfahrungen in das schulische Leben und den Religionsunterricht einbringen. „Was ihnen jedoch fehlt, sind eine qualifiziert angeleitete Auseinandersetzung und Begegnung mit Gleichaltrigen anderer Konfessionen, Religionen und Glaubensgemeinschaften. Der Umgang damit ist eine wesentliche Lebenskompetenz, die es für das Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft braucht“, räumte Handschin ein. Sie begrüßt, dass dies durch neue Modelle des Lernens weiterentwickelt wird. „Dieses Lernen im Bereich von Glaube und Religion bedarf der sorgfältigen und respektvollen Begleitung durch Lehrkräfte, die darin ausgebildet und geübt sind“, so Handschin.

Hennefeld: „Bildung als Schlüssel“

„Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben in Freiheit und Verantwortung – Religionen können dazu einen wichtigen Beitrag leisten“, zeigte sich Landessuperintendent Thomas Hennefeld von der Evangelischen Kirche H.B. überzeugt. „In einer Zeit, in der einerseits demokratische Errungenschaften immer mehr unter Druck geraten und demokratische Strukturen ausgehöhlt werden und auf dem Prüfstand stehen, und andererseits Religionen immer stärker gegeneinander ausgespielt werden, halte ich diese Initiative für besonders wichtig“, betonte Hennefeld. Es könne nichts Besseres geben, als „in dieser herausfordernden Zeit“ nach gemeinsamen Wegen der unterschiedlichen Religionen, auch und besonders im Religionsunterricht, zu suchen. „Daher begrüße ich es, wenn solche Modelle entwickelt werden. Diese Enquete kann ein wertvoller Baustein auf diesem Weg sein“, bekräftigte der Landessuperintendent.

Einblicke in die schulische Praxis

Der Programmankündigung zufolge werden Pädagog:innen und Schulleiter:innen verschiedene Einblicke in die schulische Praxis geben, darüber hinaus gibt es Diskussionen und Impulsvorträge. Diese Vorträge stammen u.a. vom Vorstand des Instituts für Religionspädagogik der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Robert Schelander, von der Religionspädagogin Andrea Lehner-Hartmann, Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, vom alevitischen Theologen Erdal Kalayci von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Niederösterreich, vom orthodoxen Theologen Ioan Moga von der Universität Wien, sowie vom islamischen Religionspädagogen Zekirija Sejdini vom Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik der Universität Innsbruck.

Weitere Informationen: kphvie.ac.at/netzwerk-interreligiositaet/enquete-der-wiener-schulaemter-fuer-religion.html

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