Traumdeuter
Michael Chalupka über Hungerkatastrophen und den Rat der Weisen
Der Hunger kündigt sich an. Im alten Ägypten hatte der Pharao einen Traum. Er träumte, er stünde am Nil und sieben fette Kühe entstiegen dem Wasser. Nach den sieben fetten Kühen kamen sieben abgemagerte aus den Fluten gestiegen, und die mageren Kühe fraßen die fetten. Keiner konnte den Traum deuten. Doch der Pharao ließ nicht locker. Er holte den jungen Hebräer Josef aus dem Gefängnis. Der deutete ihm den Traum. Nach sieben Jahren des Überflusses drohen sieben Jahre des Hungers. Der Pharao reagierte, setzte Josef zum Verwalter ein, der in Zeiten des Überflusses Vorräte anlegte, um in Zeiten des Mangels das Volk zu ernähren.
Heute braucht es keine Traumdeuter mehr. Hungerkatastrophen kündigen sich an. In der Region Borana, im Süden Äthiopiens gelegen, fiel Jahre lang kein Regen mehr. „Ich hatte vor der Dürre 70 Tiere. Dann habe ich die gesamte Herde verloren, nur vier Tiere sind mir geblieben“, erzählt der 80-jährige Viehbauer Gula Mucha einer Helferin der Diakonie Katastrophenhilfe. „Eine Dürre dieses Ausmaßes habe ich bisher nicht erlebt.“ Gula Mucha lässt seine vier verbliebenen Tiere jetzt im Projekt der Diakonie impfen. Sie sind alles, was ihm für seinen Lebensabend geblieben ist.
Um den Opfern der Auswirkungen der Klimakatastrophe weltweit zu helfen, dazu bräuchte es jemanden wie Josef. Oder noch besser: Es bräuchte Politiker, die wie der Pharao auf den Rat ihrer Weisen hören.