Langeweile und langer Mut

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über die Chance einer Verwandlung

Ich habe Urlaub. Und ich habe ein Ziel in meinem Urlaub: dass mir fad wird. Fadesse ist eine Kindheitserinnerung. Gegen Ende der Ferien ist mir immer fad geworden – so fad, dass ich lästig geworden bin. Gut, wenn die Schule wieder anfängt, hat meine Mama dann gesagt. Und ich habe mich auch gefreut darauf.

Wir haben die Langeweile abgeschafft, scheint mir. Ständig sind wir beschäftigt. Wenn gerade mal nichts zu tun ist, wenn wir auf einen Zug warten oder auf eine Freundin, die zu spät kommt, hängen wir am Smartphone. Wir nutzen die Zeit, um die neuesten Nachrichten zu lesen oder ein Video anzuschauen. Die Beiträge müssen kurzweilig sein, damit uns nicht fad wird – Fadesse kommt ja nicht nur beim Nichtstun auf, auch wenn wir etwas tun, kann uns das langweilen. Und so wird alles immer kürzer, immer schneller, immer mehr. Beschleunigung und Rastlosigkeit prägen das Lebensgefühl unserer Zeit.

Klar, Langeweile ist quälend. Deswegen bin ich lästig geworden als Kind. Und deswegen wollen wir Langeweile vermeiden. Aber sie hat auch ihre gute Seite, wie die Hirnforschung zeigt. Sie schafft Raum, um die vielen Reize, die auf uns einströmen, zu sortieren. Wenn uns langweilig ist, fährt unser System herunter, und die Hirnleistung verändert sich. Das ist der Konzentration und dem Wohlbefinden zuträglich. Langeweile kann Kreativität freisetzen. Weil wir nicht wollen, dass uns länger fad ist, suchen wir uns etwas, was wir tun könnten, das sinnvoll ist und Freude macht. Oder wir schöpfen neue Energie und freuen uns wieder auf das, was uns schon mühsam war, die Schule oder die Arbeit.

Vielleicht, denke ich mir, kann sich die Langeweile auch verwandeln. In Muße. Oder in Offenheit für die Begegnung mit Gott. Oder in Langmut. Langmut ist ein schönes Wort, das wir heute kaum mehr verwenden. Langmut hat mit Geduld zu tun. Geduldig zu sein und es auszuhalten, auch mal zu warten – auf eine Antwort auf mein E-Mail, auf einen verspäteten Zug, auf einen Menschen, der langsam ist und mehr Zeit braucht in der Arbeit oder an der Supermarktkasse – das ist gar nicht so einfach in diesen rastlosen immer-schneller-Zeiten.

In der Bibel wird von Gott gesagt, dass er langmütig ist. Gott hat einen langen Mut mit uns Menschen, er schaut geduldig und liebevoll auf uns – auch und gerade, wenn wir Fehler machen oder schuldig werden. Im 1. Brief an die Korinther schreibt der Apostel Paulus über die Liebe, dass sie langmütig ist und freundlich und nicht eifert.

Vielleicht begegnet sie mir ja in meinem langweiligen Urlaub, diese Liebe. Und ich muss mich nach dem Urlaub weniger ereifern über alle möglichen Vorkommnisse und kann langmütig sein mit anderen und mit mir selbst.

 

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