Sommerakademie: Schwierige Suche nach Konfliktlösungsstrategien

 
von Evangelischer Pressedienst

Fehlendes Patentrezept „keine Ausrede“, sich für Frieden und Gewaltfreiheit einzusetzen

Kremsmünster (epdÖ) – Patentrezepte zur Beendigung von Kriegen und militärischen Konflikten gibt es nicht. Dies dürfe jedoch keine Ausrede sein, sich nicht für Frieden und Gewaltfreiheit einzusetzen, war der Tenor zum Abschluss der 25. Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster.

Bei der unter dem Motto „Frieden stiften“ stehenden Sommerakademie im Stift Kremsmünster erörterten vom 10. Juli bis 12. Juli Vertreter:innen aus Kirche, Politik und Gesellschaft die Frage, „ob und wie Frieden in kriegerischen Konflikten hergestellt werden kann“. Die aktuellen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten gaben diesen Fragen auch in Europa besondere Aktualität.

Lehner: Ökumene als Gegenbewegung zu Nationalismen

Das abschließende Podium bestritten der oberösterreichische Superintendent Gerold Lehner, der katholische Militärbischof Werner Freistetter sowie der armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan. Lehner sprach von der „Ökumenischen Bewegung als Friedensprojekt“. Das sei etwa bei der Gründung des Weltkirchenrates 1948 in Amsterdam deutlich geworden, als man nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs das Bemühen und die Verpflichtung zum Frieden betonte. Aber auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg hätten maßgebliche Persönlichkeiten der Ökumene diese als Gegenbewegung zu den wachsenden Nationalismen und zum Militarismus verstanden. Der Nationalismus sei inzwischen aber wieder am Zunehmen, warnte Lehner.

Darüber hinaus erinnerte der Superintendent an Martin Luther Kings Weg des gewaltlosen Widerstands, der „nichts für Feiglinge“ sei, sowie an Dietrich Bonhoeffers Überlegungen zum Tyrannenmord. Bonhoeffer, der am Widerstand gegen den Nationalsozialismus und am Attentatsversuch auf Adolf Hitler 1944 beteiligt war, war sich dessen bewusst, dass er damit das 5. Gebot – „Du sollst nicht töten“ – überschritt. Doch angesichts der konkreten Situation sei Bonhoeffer überzeugt gewesen, dass er auf jeden Fall schuldig sei, ob er nun aktiv gegen den Nationalsozialismus Widerstand leiste oder nicht. In jedem Fall bedürfe er der Gnade Gottes.

Bischof Freistetter sprach von einer Rückkehr in vergangenen Zeiten der Machtpolitik. Diese habe man vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Etablierung internationaler Organisationen in die Schranken weisen wollen. Nun kehre die aggressive Machtpolitik verstärkt zurück. Freistetter räumte ein, dass er zwar auf die Frage „Wie sollen wir mit einem gewalttätigen Aggressor umgehen?“ keine Antwort habe. Es sei aber deutlich, dass sich Konflikte wie jener in der Ukraine oder im Heiligen Land nur international lösen ließen. Die wahre Größe eines Staates liege zudem nicht in der Zahl oder Größe der beherrschten Territorien, sondern in der Etablierung von Demokratie, Menschenrechten sowie sozialer und wirtschaftlicher Gesundheit, zeigte sich der Bischof überzeugt. Dies sei der richtige Gegenentwurf zu Diktaturen bzw. Diktatoren oder auch Politikern, die für eine „illiberale Demokratie“ eintreten, „die keine Demokratie ist“.

Freistetter: „Gott steht auf der Seite von Gerechtigkeit und Frieden“

„Gott steht auf der Seite von Gerechtigkeit und Frieden“, hob Freistetter hervor. Diese Überzeugung bringe auch die Aufgaben mit sich, im Bemühen um Frieden nicht nachzulassen, auch wenn diesen Bemühungen zumindest vorläufig wenig Erfolg beschieden ist. Der Bischof erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die missglückten Versuche von Papst Franziskus, beim Moskauer Patriarchen Kyrill um Frieden zu werben. Doch auch, wenn die faktischen Möglichkeiten der Kirche beschränkt sind, gelte es, den Menschen in der Ukraine nahe zu sein, mit materieller Hilfe und menschlicher Nähe wie auch im Gebet.

Bischof Petrosyan ging in seinen Ausführungen auf die Vertreibung der mehr als 100.000 Armenier aus Bergkarabach durch Aserbaidschan ein. Dabei habe sich gezeigt, dass das Schicksal des armenischen Volkes für die Weltgemeinschaft keine Rolle spiele, unterstrich der Bischof. Bergkarabach sei eine der zentralen Regionen des armenischen Christentums. Das christliche Erbe der Region – ähnlich jenem in der Enklave Nachitschewan – sei nun auf das Höchste bedroht bzw. dem Untergang geweiht.

Die Armenische Kirche bemühe sich, so Petrosyan, um humanitäre und seelsorgliche Hilfe für die Geflüchteten. Zugleich versuche man, die internationale Gemeinschaft zu einem stärkeren Engagement in der Kaukasusregion zu bewegen. Diesen Einsatz erhoffe er sich auch von den Schwesterkirchen im Westen. Sehr positiv hob der Bischof die jüngsten Solidaritätsbesuche der Bischöfe Wilhelm Krautwaschl und Hermann Glettler in Armenien hervor. Das armenische Volk habe diese Solidarität bitter nötig. Petrosyan erläuterte die enge Verknüpfung zwischen religiöser und nationaler armenischer Identität. Das Christentum sei ein unverzichtbarer Teil der eigenen nationalen Identität. Selbiges gelte allerdings auch für die muslimischen Aserbaidschaner.

Hidalgo: Religiöse Identitäten und Konflikte

Der Passauer Politikwissenschaftler Oliver Hidalgo betonte in seinem Vortrag, dass keine der großen Weltreligionen davor gefeit sei, „dass in ihrem Namen Kriege begonnen und Terroranschläge verübt werden“. Alle Religionen hätten umgekehrt aber auch schon dazu beigetragen, „die Gewalt der Waffen zu beenden“. Religionen und religiöse Identitäten seien insofern nicht direkt für politische Konflikte verantwortlich zu machen, sie seien aber nicht selten in der Lage, bereits existierende politische, ethnische, kulturelle oder sozioökonomische Konflikte „zu strukturieren, zu perpetuieren oder gar zu verstärken“, so Hidalgo.

Religiöse Identitäten seien besonders gefährdet für holzschnittartige Freund-Feind-Schemata und die Überhöhung der eigenen Position, sagte der Politologe. Dazu brauche es freilich keine Gläubigkeit im eigentlichen religiösen Sinn. Hidalgo spannte einen weiten Bogen aktueller Konflikte vom Ukraine-Krieg, Südosteuropa und dem Nahen Osten bis zu Spannungen innerhalb der Europäischen Union. Religion spiele jedenfalls in Konflikten eine entscheidende Rolle, auch wenn Konflikte nicht als Religionskriege missdeutet werden dürften.

Inwieweit christliche Kirchen zu Frieden und Versöhnung beitragen können, untersuchten die evangelischen Theologinnen Eva Harasta und Alexandra Battenberg sowie die katholische Linzer Theologin und Sozialwissenschaftlerin Katja Winkler. Religionen könnten bei Konflikten sowohl Brandstifter wie Friedensstifter sein, erklärte Winkler. In ihrem Vortrag ging Winkler vor allem auf das Friedenspotenzial der Religionen mit dem Schwerpunkt auf der christlichen Friedensethik ein, markant formuliert in der Friedensenzyklika „Pacem in Terris“ (1963) von Papst Johannes XXIII. Darin werde u.a. auf Verteilungsgerechtigkeit und Umverteilung für einen gerechten Frieden gedrängt. Für Winkler ist Gewalt nur zu rechtfertigen im Sinn von Gegengewalt, als Notwehr oder Nothilfe. Sie müsse demokratisch legitimiert sein.

Battenberg: Versöhnung ist möglich

Die evangelische Pfarrerin Alexandra Battenberg brachte in ihrem Vortrag bei der Ökumenischen Sommerakademie Beispiele konkreter Versöhnungsarbeit der Kirchen. So etwa im englischen Coventry, das im November 1940 bei einem Angriff der deutschen Luftwaffe dem Erdboden gleichgemacht wurde, mit hunderten Toten und viel mehr Verletzten und Obdachlosen. Während der Großteil der Menschen auf Rache sann, ging der damalige Dompropst Richard Howard einen anderen Weg. Er nutzte den landesweiten BBC-Weihnachtsgottesdienst, der aus der zerstörten mittelalterlichen Kathedrale von Coventry übertragen wurde, um zu Vergebung und Versöhnung – auch mit dem Feind – aufzurufen. Alle Menschen hätten Gottes Vergebung nötig, so die Schwechater Pfarrerin.
Das ebenfalls im Weltkrieg schwer zerstörte Dresden wurde zur Partnerstadt von Coventry und es entstanden viele freundschaftliche Begegnungen und Beziehungen zwischen den ehemals verfeindeten Nationen. Auf der Grundlage der bedingungslosen Liebe Gottes sei Vergebung und Versöhnung mit dem Feind möglich. „Wenn man weiß, dass der Folterer nicht auf ewig über sein Opfer triumphiert, dann ist man frei, die Menschlichkeit des anderen neu zu entdecken und Gottes Liebe in ihm nachzuahmen“, so Battenberg.

Harasta: „Gerechter Frieden“ bedingt globale Gerechtigkeit

Die evangelische Pfarrerin Eva Harasta, die als Programmleiterin für Globale Lutherische Theologie im Lutherischen Weltbund (LWB) tätig ist, ging in ihrem Vortrag in Kremsmünster u.a. auf die Bemühungen des LWB ein, sich im Ukraine-Krieg für Verständigung einzusetzen. Harasta verwies zudem auch auf den Schöpfungsbezug des Friedens. Die Konkurrenz um knapper werden Ressourcen schüre die Kriegsgefahr: „Kriege werden um Wasser geführt werden.“ Die evangelische Theologin sprach vom „gerechten Frieden“, der globale Gerechtigkeit bedinge. Gewalt sei nur als Mittel der Verteidigung oder in Notwehr, ebenso unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu legitimieren, zeigte sich auch Harasta überzeugt.

Bauinger: „Frieden nicht aus dem Blick verlieren“

„Gerade jetzt, wo der Krieg an die Haustüren Europas gerückt ist“, lebe die Sommerakademie vor, wie gute und nachhaltige Lösungen für den Frieden gefunden werden können, hatte Landeshauptmann Thomas Stelzer die renommierte Veranstaltung eröffnet. Der frühere ORF-Intendant Helmut Obermayr, Moderator und Mitbegründer der Sommerakademie, äußerte die Überlegung, wie Frieden angesichts des Leids der vom Krieg betroffenen Menschen gelingen könne und welche Aufgaben die Kirchen „in dieser vom Krieg durchzogenen Welt“ hätten. Dazu referierten unter anderem Oberösterreichische Superintendentialkuratorin Renate Bauinger, der römisch-katholische Linzer Bischof Manfred Scheuer, der Rektor der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz Christoph Niemand sowie der Journalist und ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz. In seinem Eröffnungsvortrag gab Wehrschütz einen Überblick über Krieg und Frieden in Geschichte und Gegenwart. Die politischen Aspekte von Konflikten und Kriegen analysierten der Historiker Hannes Leidinger und der Politikwissenschaftler Oliver Hildalgo.

Bauinger fragte, wie man in Zeiten von Krieg über Frieden sprechen könne: Das heiße, „über etwas sprechen, das es nicht gibt. Solange der Mensch auf dieser Erde lebt, hat er sich der Gewalt und dem Krieg verschrieben.“ Am Ende sollte der Frieden jedoch nicht aus dem Blick verloren werden, so Bauinger. Bischof Scheuer nahm in seiner Rede Bezug auf Immanuel Kants Werk „Zum ewigen Frieden“ und betonte: „Frieden stellt keinen natürlichen Zustand dar, sondern muss gestiftet werden.“

KU-Rektor Niemand hob die Bedeutung des Themas „Frieden stiften“ hervor und schlug eine Brücke zum Propheten Jesaja: „Das Werk der Gerechtigkeit ist der Friede.“ Um Frieden zu stiften, müsse man Niemand zufolge in kleinen Schritten auf allen Ebenen mehr für Gerechtigkeit sorgen.

Abgeschlossen wurde die Sommerakademie mit einem ökumenischen Gebet um Frieden, an dem neben den Vortragenden u.a. auch der Linzer Bischof Manfred Scheuer und die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler teilnahmen.

Die 25. Sommerakademie – das Jubiläum wurde am 11. Juli im Rahmen eines Festakts im Stift Kremsmünster gefeiert – war zugleich auch die letzte dieser Art. Der frühere ORF-Intendant Helmut Obermayr hielt als Moderator und Mitbegründer der Sommerakademie in seinen Dankesworten am Freitag nochmals fest, dass das Format so nicht weitergeführt wird. Es gebe aber Überlegungen, die Sommerakademie in anderer Art und Weise fortzusetzen und sich wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen zu widmen, bei denen die Kirchen gefordert sind. Man werde darüber zu gegebener Zeit informieren.

Die etwa 400 Teilnehmer:innen der Sommerakademie nutzten selbst die Möglichkeit zur Diskussion mit den Referent:innen im Plenum und untereinander in den Pausen. Die Ökumenische Sommerakademie war eine Veranstaltung des Evangelischen Bildungswerks Oberösterreich, der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz, des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, der Kirchenzeitung der Diözese Linz, des Stiftes Kremsmünster, der Religionsabteilung des ORF sowie des Landes Oberösterreich. Der ORF Oberösterreich und die Oberösterreichischen Nachrichten sind Medienpartner.

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