Segen für Ausgetretene II
Julia Schnizlein widmet sich erneut einem heftig diskutierten Thema
Dürfen Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, kirchliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen? Diese Frage habe ich vor einigen Wochen hier gestellt und daraufhin so viele Leserbriefe erhalten, dass ich das Thema noch einmal aufgreifen möchte.
Eine große Mehrheit der Schreibenden war der Meinung: wer sich von der Kirche abwendet und auch finanziell nichts zu ihrem Erhalt beiträgt, hat den Anspruch auf kirchliche Feiern verwirkt. Ein Fußballspieler, der bei einem Verein nicht gemeldet ist, dürfe dort ja auch nicht antreten.
Wenn aber tatsächlich der Wunsch nach einer christlichen Trauung, Taufe, Beerdigung… besteht, dann müsse sich das auch in einem Eintritt (und einer Nachzahlung) niederschlagen.
Andere meinten wiederum: Mit christlicher Zuwendung dürfe man niemals geizen, völlig unabhängig von jeglichem Mitgliederstatus. Wer zu Gott kommt, den dürfe die Kirche nicht vor den Kopf stoßen – ganz im Sinn der diesjährigen Jahreslosung: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Für wesentlich halte ich die Frage: Was würde Jesus tun? Er wäre vermutlich Team: Großzügigkeit! Oder: Gnade vor Recht! Denn dass Jesus die Sache mit der Vorleistung und der „fairen“ Belohnung manchmal anders sieht als wir, beschreibt schon das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg – eine Anspielung auf das Reich Gottes.
Jesus erzählt hier von einem Weinbauern, der um 6 Uhr früh einige Tagelöhner für die Weinlese anheuert. Er einigt sich mit ihnen auf einen fairen Lohn und sie gehen ans Werk. Gegen 9 Uhr sieht er weitere Arbeiter herumstehen und heuert sie ebenfalls an. Um 12 und um 15 Uhr wiederholt er das Ganze. Kurz vor Ende des Arbeitstages findet er immer noch Menschen, die Arbeit suchen, und schickt auch sie für letzte Handgriffe in den Weinberg. Als es kurz darauf an die Bezahlung geht, staunen die Arbeiter, die 12 Stunden in glühender Hitze geschuftet haben, nicht schlecht: Alle bekommen den gleichen Lohn – die Letzten wie die Ersten. Als sie sich darüber beschweren, sagt der Weinbauer nur: Ich tue euch doch damit kein Unrecht! Ich gebe euch, was euch zusteht. Das, worauf wir uns geeinigt haben! Und ihr wollt mir ja wohl nicht vorwerfen, dass ich zu gütig bin?!