Kritik aus Evangelischer Kirche an Abschiebung von Schülerinnen
Geist: „Unerträgliche Abschiebepraxis“ – Moser: „Gnade vor Recht war mal“ – Chalupka: Kinderrechte beachten – EJÖ: „Große Bestürzung“
Wien (epdÖ) – Heftige Kritik an der Abschiebung dreier Wiener Schülerinnen nach Georgien und Armenien kommt aus den Reihen der Evangelischen Kirche. Als „unerträglich“ bezeichnete der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist die „Abschiebepraxis von Kindern aus Österreich“. Die Vorgehensweise entspreche nicht den weltweit anerkannten Kinderrechten, kritisierte Geist in einem Posting auf Facebook die Abschiebung der Mädchen in der Nacht auf Donnerstag, 28. Jänner. Laut Kinderrechtskonvention sei der Schutz Minderjähriger „vorrangig gegenüber behördlichen Eingriffen und sollte dies bleiben“. Was eine Abschiebung von Kindern mit diesen anrichte sei „jedenfalls nicht im Sinne der sonst hochgehaltenen Kinderrechte und der ganz konkreten zwölfjährigen Schülerinnen aus Wien und aller ihrer Freund*innen und Weggefährten“.
Es gehe jetzt „um jede einzelne junge Person, die auch in Zukunft von solcher Art Abschiebung bedroht ist“. Für Geist ist es „mehr als bedenklich, wenn Kinder mit nachvollziehbarer Integration in unser Land entwurzelt werden“. Darin sieht er einen gravierenden „Bruch mit den Grundsätzen einer solidarischen, integrativen Gesellschaft“.
Chalupka: “Geht um Existenz von jungen Menschen”
Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka mahnte in der ORF-Sendung „Orientierung“ vom Sonntag, 1. Februar, die stärkere Beachtung der Kinderrechte ein. „Hier geht es um die Existenz von jungen Menschen, die ja kein anderes Land als Österreich und auch kein anderes Bildungssystem als das in Österreich kennen“, so der Bischof. Für solche Fälle brauche es eine entsprechende gesetzliche Vorsorge bzw. sollten die schon jetzt möglichen Spielräume auch entsprechend genützt werden, so Chalupka, der sich auch in seiner Kolumne in der “Kronen Zeitung” und im Blog deutlich äußerte.
„‚Recht muss Recht bleiben‘ gilt schon lange nicht mehr“
Auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser forderte den Blick auf das Kindeswohl ein: „Im Fall von Tina und ihrer Schwester wurde das nicht berücksichtigt“, schrieb Moser via Twitter. Denjenigen, die die Abschiebung mit der Phrase „Recht muss Recht bleiben“ begründeten, entgegnete Moser: „‚Recht muss Recht bleiben‘ gilt schon lange nicht mehr: Illegale Pushbacks an Grenzen, menschenrechts- und EU-Richtlinien-widrige Flüchtlingslager.“ Das Recht werde „tausendfach“ gebrochen. „Gnade vor Recht war mal. Jetzt: Ungnade vor Recht.“
In einer Aussendung vom Dienstag, 2. Februar, bezeichnete Moser das humanitäre Bleiberecht als “kaputt”, es müsse saniert werden. Die Diakonie fordere seit über zehn Jahren ein humanitäres Bleiberecht für Menschen, die mehrere Jahre in Österreich lebten und sich erfolgreich integriert hätten. Dazu müsste die Zuständigkeit aber aus der Hand des Innenministeriums in den Verantwortungsbereich der Länder wandern. Sanierungsbedarf gebe es zudem beim Zugang zur Staatsbürgerschaft für Kinder und Jugendliche.
„Humanitäre Lösungen müssen gefunden werden“
„Große Bestürzung“ haben die Bilder der Abschiebung bei der Evangelischen Jugend Österreich (EJÖ) hervorgerufen. „Wenn es um Asylverfahren von Kindern geht, müssen humanitäre Lösungen gefunden werden“, fordert Judith Schrödl, stellvertretende Vorsitzende der EJÖ, in einer Aussendung. „Es kann nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt Kinderrechte ignoriert werden und es keine Möglichkeit gibt, Kindern, egal wo sie herkommen, ein sicheres Zuhause und Zukunftsperspektiven zu ermöglichen“, ergänzt der Vorsitzende der EJÖ, Thomas Nanz. Als christliche Jugendorganisation sehe sich die Evangelische Jugend Österreich verpflichtet, Partei für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und deren Familien zu ergreifen. „Wir würden uns wünschen, dass in Zukunft das Recht von Kindern und Jugendlichen auf ein sicheres Leben in Frieden und Würde über fremden- bzw. asylrechtliche Bestimmungen und Entscheidungen gestellt wird und humanitäre Lösungen zum Wohle aller Beteiligten ermöglicht werden“, so Nanz.