Campus der Religionen: Siegerprojekt präsentiert
Geist: “Neue Dynamik von Politik, Gesellschaft und Religion” als Vision
Wien (epdÖ) – Vor zehn Jahren war die Idee eines Campus der Religionen in der Wiener Seestadt Aspern erstmals aufgetaucht, am Dienstag, 11. August, wurde mit der Präsentation der Ergebnisse des Architekturwettbewerbs ein nächster Schritt zu ihrer Verwirklichung gesetzt. Siegreich hervorgegangen ist aus 44 eingereichten Projekten ein Entwurf des Wiener Architekturbüros Burtscher-Durig. Vorgestellt wurde das Siegerprojekt im Wiener Rathaus unter anderem von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dem Wiener katholischen Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn in Anwesenheit von Vertreterinnen und Vertretern aller acht Religionsgemeinschaften, die sich am Campus in der Wiener Donaustadt beteiligen. Deren Sakralbauten sowie die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems (KPH) sollen das Erscheinungsbild des Stadtteils in Zukunft prägen. Zum Baubeginn oder zur Fertigstellung des Projekts gab es keine Angaben, zuletzt war von einer Eröffnung 2022 die Rede gewesen.
Sakralbauten für individuelle Gestaltung offen
Gegliedert werden soll der Campus durch einen „zentralen, sanft ansteigenden Platz“, durch Häuser, die sich „gleichberechtigt“ um diesen Platz ansiedeln, und eine Pergola als „verbindendes Element“, wie Architektin Marianne Durig erklärte. Der zentrale Platz solle dabei als Herzstück und “Ort der Begegnung und des Austausches” dienen. Bepflanzung und der Einsatz von Wasserelementen sollen ein „angenehmes Mikroklima“ schaffen. Die Bauten der Religionsgemeinschaften wurden in dem Entwurf bewusst neutral gehalten, um eine individuelle Weiterentwicklung zu ermöglichen.
Geist: Diskurs bezieht auch religionskritische Stimmen mit ein
“Als Vision des Campus sehe ich, dass durch gemeinsame Aktionen eine neue Dynamik von Politik, Gesellschaft und Religion entsteht”, sagte der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist, der gemeinsam mit Superintendentialkuratorin Petra Mandl der Präsentation beiwohnte, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Die acht involvierten Religionsgemeinschaften zeigten sich bereit zu einem “zweifachen Diskurs”, der auch religionskritische Stimme miteinbeziehe. Zum einen werde der Campus “das friedliche Miteinander von Kulturen und Religionen in Wien fördern und unterstreichen”. Zum anderen verlieh Geist der Hoffnung Ausdruck, “dass nicht nur das Interesse aneinander steigt, sondern auch säkulare Kreise mit uns im Diskurs stehen können.” So könnte “Wertschätzung und Äquidistanz auch zu kleineren und unbekannteren Gemeinschaften entwickelt werden.” Besonders erfreut zeigte sich Geist, dass die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems, deren Campus aus Strebersdorf nach Wien-Aspern wandert, zur “kritischen Reflexion von religiösen Lebensformen und anderen Weltanschauungen” beitragen könne.
Schönborn: Erinnerung an religiöse Konflikte “Dauerauftrag”
„Was da gewachsen ist, ist Ausdruck für das, was in Wien und Österreich in den letzten Jahren gelebt worden ist, was aber immer gefährdet war“, sagte der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn und erinnerte an die jahrhundertelangen religiösen Konflikte im Land. Die Aufarbeitung dieser Geschichte sei ein „Dauerauftrag“. Der Campus diene als ein „Signal, dass wir in Österreich und speziell in Wien einen anderen Weg gehen, als er in vielen Teilen der Welt begangen wird.“
Ludwig: “Akzeptieren unterschiedliche Zugänge zu Gott”
Als eine „ideale Konzeption für eine Stadt der Zukunft, eine Stadt des Friedens, eine Stadt des Miteinanders“ bezeichnete der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) das Projekt. Er sprach allen Religionsgemeinschaften seinen Dank dafür aus, dass es durch viele Begegnungen gelungen sei, anfängliche Vorurteile auszuräumen. „Wir akzeptieren, dass es unterschiedliche Zugänge zu Gott geben kann oder zu spirituellen Fragen, die uns beschäftigen.“
Für die KPH Wien/Krems sah Rektor Christoph Berger die Chance, „große Ideen und Visionen“ umzusetzen. Der Campus schaffe einen „Ort der Begegnung zwischen Bildung, Wissenschaft und Religion“.
In das Projekt “Campus der Religionen” eingebunden sind die Römisch-katholische Kirche, die Evangelischen Kirchen A.B. und H.B., die Griechisch-orientalische Kirche, die Israelitische Religionsgemeinschaft, die Islamische Glaubensgemeinschaft, die Österreichisch-Buddhistische Religionsgemeinschaft, die Neuapostolische Kirche in Österreich und die Religionsgemeinschaft der Sikhs. Bereits 2015 war das Baufeld des Campus im 22. Wiener Gemeindebezirk gesegnet worden. Ursprünglich waren architektonisch einheitliche Gebäude geplant, von dem Vorhaben war man aber abgekommen. Die Grundstücke für die Sakralbauten stellt die Stadt Wien zur Verfügung, für die Planung und Finanzierung sind die einzelnen Religionsgemeinschaften verantwortlich.