In Quarantäne
Michael Chalupka über den Zusammenhalt einer Gesellschaft
Dass die Quarantäne ein Mittel ist, um ansteckende Krankheiten einzudämmen, wissen wir nicht erst, seit die Venezianer die Besatzungen einlaufender Schiffe gezwungen haben, vor Landgang 40 Tage auf ihren Booten auszuharren. Das kennen wir schon aus der Bibel. Die Prophetin Mirjam, die Schwester Mose, war aussätzig, weiß wie Schnee und wurde ausgesondert, wie es im 4. Buch Mose heißt, sieben Tage außerhalb des Lagers. Ihr Bruder Mose hatte noch gefleht: „Ach Gott, heile sie!“ Doch die Heilung erfolgte erst in der Zeit der Quarantäne, abgesondert vom Rest des Volkes.
Der wichtigste Satz der Erzählung ist: „Und das Volk zog nicht weiter, bis Mirjam wieder aufgenommen wurde.“ Das Volk der Israeliten war auf einer mühsamen, gefährlichen Wanderung durch die Wüste, auf der Flucht vor den Ägyptern. Jeder gewonnene Tag war wertvoll. Aber sie ließen Mirjam nicht zurück.
Wir lassen niemanden zurück, auch wenn es unbequem ist, auch wenn es Kosten verursacht. Wir achten aufeinander und stehen für einander ein. Wenn jetzt Rechnungen angestellt werden, wie viel an Produktivitätsverlust uns die Zeiten des Homeschoolings und des Homeoffice beschert haben, sollten wir den Solidaritätsgewinn nicht vergessen, den uns die gegenseitige Rücksichtnahme geschenkt hat. Die Pandemie ist kein Risiko, das nur der Einzelne zu tragen hat. Am Umgang mit ihr erweist sich der Zusammenhalt einer Gesellschaft.