Im finstern Tal

 
von Evangelischer Pressedienst

Michael Chalupka über die Zuflucht im Gebet

„Passen Sie auf sich auf!“ So verabschieden sich die Moderatorinnen der Nachrichtensendungen von denen, die aus dem Kriegsgebiet berichten. Wie macht man das, auf sich aufpassen in Zeiten der Gewalt und der Bedrohung durch die Mächte der Zerstörung? Orte der Zuflucht sind rarer gesät als die Saat der Panik.

Wenn Jüdinnen und Juden Zuflucht im Gebet suchen, dann beten sie meistens die Psalmen. Ich tue es ihnen gleich. In diesen Nächten bete ich den 23. Psalm: „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue. Er erquicket meine Seele. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.“ Da betet einer im Angesicht seiner Feinde. Da betet einer, der weiß, was Krieg heißt und Angst und Sorge.

Diese Zuflucht im Beten des Psalms ist keine Flucht aus der Realität. Es ist der Versuch, der schrecklichen Wirklichkeit keine Allmacht zuzugestehen, sich der Macht des Bösen nicht zu ergeben. Handlungsfähig zu bleiben, sich getragen zu wissen und deswegen auch aufmerksam sein zu können für die Not derer, die Hilfe brauchen, für die Not derer, die auf der Flucht sind, für die Schmerzen der Verwundeten und die Trauer der Überlebenden. Zu viele wandern im finstern Tal. Niemand in Europa bleibt vom Krieg und seinen Folgen unberührt. Passen Sie auf sich auf.

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