Weiches Herz

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über Sophie Scholl und die „Weiße Rose“

„Nur die Harten kommen durch.“ „Was uns nicht umbringt, macht uns härter.“ Wer kennt solche Sprüche nicht? Sie erzählen von dem, was viele glauben: Härte zählt. Wer weich ist, ist schwach. Wer die nötige Härte nicht hat, ist naiv, zu gut für diese Welt. Wer sich erweichen lässt, kann all dem Leid nicht standhalten, zerbricht daran.

Eine, die das anders gesehen hat, wäre dieser Tage 100 Jahre alt geworden: Sophie Scholl, Mitglied einer studentischen Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus, die als „weiße Rose“ bekannt geworden ist. In den Briefen und Tagebuchaufzeichnungen der jungen Frau, die am 22. Februar 1943 vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet wurde, findet sich immer wieder der Satz: „Man muss einen wachen Geist und ein weiches Herz haben.“

Freilich, Sophie Scholls Herz, gestählt von der nationalsozialistischen Doktrin der Mitleidlosigkeit, musste erst „auftauen“. Als Schülerin war sie mit Begeisterung im Bund Deutscher Mädel aktiv. Sieben Jahre lang geht sie zum Dienst als Hitlermädel: besucht zwei Mal die Woche Heimabende, leitet als Scharführerin ihre eigene Gruppe, ist bei Aufmärschen und Freizeiten dabei. 1941, im Alter von 19 Jahren, beginnt sie, kritische Distanz zum Nationalsozialismus zu gewinnen. Zu dieser Zeit leistet sie ihren Reichsarbeitsdienst und sieht sich dabei mit den sozialen Nöten der Bevölkerung konfrontiert. In jenen Tagen notiert Sophie Scholl erstmals das Motto vom weichen Herzen. Gleichzeitig reflektiert sie ihre Gottverbundenheit: „Wie wir verhungern müssten, würde Gott uns nicht nähren“, schreibt sie. Das sei ihr erst bewusst geworden, nachdem sie erkannt habe, wie wertvoll „ein Leben ist, zumal ein Menschenleben“. Sophie Scholl will trotz Kriegslärms nicht stumpf werden, sich berühren lassen vom Elend. Ihr Mitgefühl wächst zu politischem Widerstand. „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt!“ heißt es auf einem Flugblatt der „weißen Rose“, das Sophie Scholl verteilt, um das „deutsche Volk“, das „seinen Verführern blindlings ins Verderben folgt“, aufzurütteln.

Auch wenn wir heute nicht in einer Diktatur leben, ist Sophie Scholl beispielgebend: Den Mantel der Gleichgültigkeit zerreißen und sich berühren lassen vom Leid und Unrecht, das Menschen widerfährt – das macht uns zu Nachfolgern und Nachfolgerinnen Christi. Und ich bin überzeugt: Wer ein weiches Herz hat, wird nicht zerbrechen. Im Gegenteil: Die allzu hart sind, brechen.

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