Wechseldusche gefällig?
Warum es für für Julia Schnizlein kalt und warm braucht
Ich geb’s zu – ich bin gerne Warmduscherin.
Meine Kinder haben mir zu Weihnachten eine sogenannte „warme Dusche“ geschenkt und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gut sie gerade in dieser tristen Coronazeit tut. Mit „warmer Dusche“ sind kleine Zettel mit Zuspruch und Komplimenten gemeint. Ein ganzes Glas davon habe ich bekommen und immer, wenn mir danach ist, ziehe ich einen Zettel heraus. Dort stehen Sachen wie „Wir haben dich lieb, weil du uns früh Kakao kochst, wenn wir nicht aufstehen wollen“, „Wir finden dich toll, weil du beim Kartenspielen eine gute Verliererin bist“, „Wir haben dich lieb, weil du uns so lieb hast“…
Komplimente tun gut, weil sie uns zeigen, dass wir wahrgenommen werden. Dass das, was wir tun, nicht ins Leere geht. Sie sind Balsam auf jeder Seele und sie sind nachhaltig, weil auch die Erinnerung an liebe Komplimente Trost und Aufmunterung schenkt. „Von einem guten Kompliment kann ich zwei Monate leben“, soll der US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain gesagt haben. Was hätte er erst mit einem ganzen Glas an Komplimenten gemacht?
Natürlich gibt es auch leere und überflüssige Komplimente. Solche, die einem unangenehm sind, weil man spürt, dass sie bestenfalls zum Einschmeicheln dienen sollen.
Und dann gibt es die umgekehrten Komplimente. Jene mit Freundlichkeit getarnten Speerspitzen, in denen immer auch ein Körnchen Wahrheit steckt. In meinem Beruf klingt das ungefähr so: „Die Lieder haben Sie aber schön ausgewählt, Frau Pfarrer“ (impliziert, dass Liturgie und Predigt zum Vergessen waren…)
Manchmal braucht es aber auch beides: Ermutigung und ehrliche Kritik. Beides ist eng miteinander verbunden und beides zeigt, dass wir anderen nicht egal sind.
Ermutigung und Demut können wir uns auch selbst zusprechen. Dabei hilft mir der Ratschlag eines jüdischen Rabbi, der eine Art „Wechseldusche“ empfiehlt: „Jeder von euch muss zwei Manteltaschen haben, um nach Bedarf in die eine oder andere greifen zu können. In der rechten steckt ein Zettel auf dem steht: ‘Um meinetwillen hat Gott Himmel und Erde gemacht!, und in der linken: ‘Ich bin nur Erde und Asche’. Beides ist wahr und je nachdem, in welcher Lage ihr euch befindet, sollt ihr in die rechte oder linke Tasche greifen.“
Folgen Sie Julia Schnizlein auch auf Instagram:
@juliandthechurch