Interreligiöser Dialog vor besonderen Herausforderungen
Harasta: In Solidarität gemeinsam politisch handeln – Online-Diskussion fragt nach möglichem Gespräch auf Augenhöhe
Wien (epdÖ) – Der interreligiöse Dialog steht durch die Verzahnung von spirituellen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen vor besonderen Herausforderungen. Das haben Vertreterinnen und Vertreter von Christentum, Judentum und Islam bei einer virtuell geführten Diskussion an der Universität Wien herausgestellt. Bei dem Gespräch am Dienstag, 26. Jänner, zeigte die evangelische Theologin Eva Harasta die Grenzen der sogenannten „Zwei-Reiche-Lehre“ von Martin Luther auf. Zwar dürften, wie von Luther gefordert, Politik und Religion nicht vermischt werden in dem Sinne, als politische Fragen nicht zu Diskussionen übers Seelenheil ausarten dürften; gleichwohl seien beide Bereiche untrennbar miteinander verknüpft, was auch den interreligiösen Dialog präge. So käme der in theologischen Fragestellungen leichter zustande, während er sich dort, wo es um politische Einflussnahme ginge, schwieriger gestalte: „Aus meiner Sicht wäre es ein Idealzustand, wenn die religiöse Mehrheit auch ihr politisches Gewicht einsetzen würde für die Anliegen der Religionsgemeinschaften, wenn trans- und interreligiöser Dialog auch dazu führen, dass man in Solidarität gemeinsam politisch handelt.“ Das geschehe bereits teilweise, könne aber noch intensiviert werden, sagte Harasta mit Blick auf die römisch-katholische Mehrheitsgesellschaft in Österreich.
Scheuer: Lange „verhängnisvolle“ Nähe zwischen Kirche und Politik
Der römisch-katholische Ökumenebischof Manfred Scheuer gestand die lange enge Verbindung zwischen „Altar und Thron“ in der österreichischen Geschichte zu; vor allem in der Habsburgermonarchie und in den 1920ern und -30ern habe sich eine „verhängnisvolle“ Nähe der römisch-katholischen Kirche zur politischen Macht herausgebildet: „Wo Reste davon erhalten sind, sind wir gut beraten, uns davon zu lösen.“ Die Kirche habe keine besondere Sendung in der politischen Ordnung. „Grundsätzlich gibt es in der katholischen der Tradition eine positive Bewertung des Säkularen.“ Eine humane Gesellschaft brauche zu ihrer Fundierung aber auch religiöse Traditionen, gerade angesichts von „Ersatzreligionen“ wie dem Kapitalismus.
Hofmeister: Säkulare Leitkultur nie neutral
Der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister kritisierte die Vorstellung, dass in einer säkularen Gesellschaft die Elemente der Leitkultur „neutral“ wären. Hier hätten sich Reste von Religiösem erhalten, die zur Kultur geworden seien, etwa bei den Feiertagen, aber auch in Fragen der Medizinethik. Im interreligiösen Dialog stehe vor allem das Gespräch mit dem Christentum, dass die gemeinsame „Brücke“ – nämlich Jesus – „mit einem Einbahnschild versehen“ sei. Dieses Problem gebe es in Auseinandersetzung mit dem Islam nicht. Da gehe es nicht um die Unvereinbarkeit religiöser Inhalte, sondern den Umgang miteinander.
Vural: Im Dialog mit Islam geht es um Kultur, nicht um Religion
Ümit Vural, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, bemängelte, dass der vermeintlich „interreligiöse“ Dialog mit dem Islam meist als „interkultureller“ Dialog geführt werde: „Es geht nicht mehr um Glaubensinhalte, sondern um die Stellung im Integrationsprozess, um politische Fragen.“ Migrantinnen und Migranten würden in der Öffentlichkeit als „muslimisch“ adressiert, unabhängig davon, wie ihre konkrete Glaubenspraxis aussähe. Zudem sei den offiziellen Vertretern der Glaubensgemeinschaft in der gesellschaftlichen Islamdebatte die Deutungshoheit über die eigene Religion entzogen.
Welzig: Gesellschaft muss Gretchenfrage stellen
Die Gretchenfrage „Wie halten wir’s als Gesellschaft mit der Religion“ hält der Leiter des Kulturamtes im Kanzleramt, Florian Welzig, für entscheidend im öffentlichen Diskurs über Religion. Die Gesellschaft müsse sich die Frage stellen, welche Bedeutung sie Religionen im öffentlichen Raum zugestehe, und ob sie Religionen überhaupt verstehe: „Konflikte entstehen oft, weil das Basiswissen nicht ausreichend vorhanden ist.“ Aus der Perspektive eines hohen Beamten bemerkte er auch, dass Fragen des Religionsrechts in Österreich immer wichtiger würden. Zugleich äußerte er Zweifel, ob dieses an Österreichs Universitäten in angemessener Art vertreten sei.
Das virtuelle Podiumsgespräch wurde von der römisch-katholischen Theologin Regina Polak moderiert. Es bildete den Abschluss der Ringvorlesung „Judentum – Christentum – Islam. Inter- und transdisziplinäre Perspektiven auf den interreligiösen Dialog“ an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien.