Wien: Stiller Gedenkmarsch der Religionsgemeinschaften für das Miteinander

 
von Evangelischer Pressedienst

Initiator Hofmeister: „Mitverantwortlich, wie sich Bereiche in Gesellschaft entwickeln“

Wien (epdÖ) – Mit einem gemeinsamen Gedenkmarsch durch die Wiener Innenstadt haben Vertreterinnen und Vertreter österreichischer Religionsgemeinschaften ihren Einsatz gegen den Hass und für das Miteinander zum Ausdruck gebracht. Der Weg führte am Donnerstag, 4. November, vom Hohen Markt über die Ruprechtskirche und die Seitenstettengasse auf den Schwedenplatz. Initiiert worden war der im Schweigen abgehaltene Spaziergang vom Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. Vor dessen Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse hatte der Attentäter auf Passanten geschossen. An dem Marsch nahmen die Repräsentanten zahlreicher Glaubensgemeinschaften teil, darunter neben Hofmeister von den Evangelischen Kirchen der lutherische Bischof Michael Chalupka, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld, der methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs und der Wiener Superintendent Matthias Geist, Kardinal Christoph Schönborn, der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios Kardamakis und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Ümit Vural.

Initiator Schlomo Hofmeister sagte im Rahmen des Gedenkmarsches zum Evangelischen Pressedienst: „Wir müssen als Religionen zeigen, dass wir als verantwortungsvoller Bestandteil dieser Gesellschaft, verantwortlich sind, wie sich manche Bereiche in dieser Gesellschaft entwickeln.“ Dieser Verantwortung gelte es gerecht zu werden. „In dem Moment, wo Hass, Hetze und Gewalt im Namen von Religion, im Namen Gottes gepredigt oder sogar ausgeführt wird, müssen wir die ersten sein, die dagegen protestieren, das von uns weisen und verurteilen.“

Der Marsch unterstreiche, wie wichtig die Verständigung der Religionen sei und dass das Gedenken der Opfer jetzt im Vordergrund zu stehen habe, erklärte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka. Es sei wichtig, dass die Trauer gemeinsam passiere. „Denn das Ziel des Terrors ist die Spaltung und der Hass. Die Religionen beugen sich diesem Ziel nicht, sondern treten vereint auf.“ Das sei gerade für die Religionen notwendig, „denn es ist Zeichen des größten Missbrauchs der Religion, wenn so eine Gräueltat im Namen eines Gottes vollführt wird. Das ist Gotteslästerung.“

Am Friedmannplatz hatten bereits am Dienstag Vertreter der Republik Kränze für die Opfer des Terroranschlags abgelegt. Foto: epd/Windisch

Er sei dankbar für diese Initiative und dankbar für die vielen Zeichen der Verbundenheit, sagte der römisch-katholische Kardinal Christoph Schönborn. „Diese hunderten, tausenden Kerzen sind ein Zeichen, dass die Menschen zusammenstehen und sich nicht auseinanderdividieren lassen wollen. In unserem Land gibt es einen Zusammenhalt, und den wollen wir pflegen und nicht gefährden.“ Das beziehe die Religionen mit ein, beträfe aber die ganze Zivilgesellschaft.

„Wir wollen unsere Betroffenheit und unsere Erschütterung zum Ausdruck bringen über diesen blutigen Anschlag in unserer Stadt, wo Menschen bislang in Frieden gelebt haben“, sagte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld zum Evangelischen Pressedienst. Man wolle signalisieren, „dass wir als Religionsgemeinschaften uns gemeinsam für den Frieden, gegen den Hass und gegen die Gewalt einsetzen“. Der Spaziergang durch die Innenstadt solle ein Zeichen sein, dass Religionen nicht gegeneinander stehen, „sondern sich miteinander für das Wohl und den Frieden in dieser Stadt und diesem Land einsetzen“.

Der methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs sah das Entscheidende an dem Marsch darin, „dass wir als Mitglieder verschiedener Religionen gehen und ein Zeichen setzen, dass wir nicht zulassen wollen, dass Religionen als solche gegeneinander aufgewiegelt werden“. Der Zusammenhalt sei das Entscheidende: „Es kann nur die Liebe letzten Endes alle Herausforderungen und Konflikte überwinden, und niemals die Gewalt.“

Der Gedenkmarsch sei ein Zeichen der Verbundenheit der Religionsgemeinschaften untereinander, die im Gedanken und Gebet bei den Opfern und deren Angehörigen seien, sagte der Wiener Superintendent Matthias Geist. „Er ist aber zugleich ein Aufruf für uns, mit Sprache und Haltungen sehr sorgfältig umzugehen. Viele Worte in den vergangenen Tagen sind nicht nur zum Guten gewesen“, sie würden künftig noch sehr bedächtig gewählt werden müssen, um Gräben nicht weiter aufzureißen.

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