Über Klatsch und Siebe
Julia Schnizlein über unseren Zugang zu Tratsch
In meinem Beruf rede ich viel mit Menschen. Und oft höre ich, wie Menschen über Menschen reden. Tratsch und Klatsch gehören wohl zu jeder Gemeinschaft, egal ob Kirchengemeinde, Familie, Nachbarschaft, Bekanntenkreis oder Verein. Das werden wir schwerlich ändern können. Aber wir können über unseren Zugang zu Tratsch nachdenken. Mein Leitmotiv dazu: „Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter als über Paul.“
Wenn jemand über andere tratscht, dann sagt das in erster Linie aus, dass er oder sie jemand ist, die lieber über andere spricht, als ein Thema auf direktem Weg zu klären. Wenn jemand findet, x oder y sei unangemessen gekleidet, dann sagt das etwas über seinen eigenen Kleidungsgeschmack aus. Oder wenn jemand meint, Eltern seien schlechte Eltern, weil sie ihr Kind von klein an in Fremdbetreuung geben, dann sagt das etwas über den eigenen Zugang zu Elternschaft und Loslassen aus.
Nicht zwangsläufig haben die Dinge mit demjenigen zu tun, über den getratscht wird. Das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten. Und wenn wir selbst in Gefahr geraten, über andere, statt mit ihnen zu sprechen, dann sollten wir uns an den drei Sieben aus dieser alten Anekdote orientieren.
„Aufgeregt kommt ein Mann zu einem Weisen gerannt: ‚Ich muss dir etwas erzählen. Dein Freund…‘ Der Weise unterbricht ihn: ‚Halt! Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?‘ ‚Welche drei Siebe‘, fragt der Mann verwundert. ‚Lass uns prüfen, ob das was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe passt. Das erste Sieb ist die Wahrheit: Ist das, was du mir erzählen willst, wahr?‘ ‚Naja‘, sagt der Mann, ‚ich habe es selber erzählt bekommen und…‘ ‚Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Mit dem Sieb der Güte. Wenn es schon nicht sicher wahr ist, ist es wenigstens gut?‘ Der Mann zögert: ‚Nein, im Gegenteil…‘ ‚Dann lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden: Ist es wichtig und notwendig, es mir zu erzählen?‘ Räumt der andere ein: ‚Notwendig nicht unbedingt…‘ Lächelt der Weise: Wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es lieber sein und belaste weder dich noch mich damit.“
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