Evangelische Frauenarbeit feierte 80-jähriges Bestehen
Blick auf Leistungen der Vergangenheit und Herausforderungen der Gegenwart
Wien (epdÖ) – Mit einem Festgottesdienst hat die Evangelische Frauenarbeit in Österreich (EFA) die Feierlichkeiten zu ihrem 80-jährigen Bestehen begangen. Der Gottesdienst am Samstag, 10. Oktober, in der Wiener Gustav-Adolf-Kirche in Gumpendorf erinnerte an die Leistungen der Frauenarbeit in Vergangenheit und Gegenwart, adressierte aber auch die noch ausstehende vollständige Teilhabe und Gleichberechtigung von Frauen in Gesellschaft und Kirche. Den “Durst” danach hob Oberkirchenrätin Ingrid Bachler in ihren Grußworten hervor. Sie verwies zum einen auf die Geschichte der Anerkennung von Frauen in der Evangelischen Kirche – etwa die Zulassung zum Studium der Theologie 1928, die Frauenordination 1965 und die völlige rechtliche Gleichstellung von Pfarrerinnen 1980. “Am Anfang war der Durst der Frauen nach Freiheit, Autonomie und sozialer Gerechtigkeit”, so Bachler. Zugleich erinnerte sie daran, dass Frauen in Führungspositionen, sowohl in Unternehmen, aber auch in kirchlichen Ämtern, immer noch unterrepräsentiert seien. Die Evangelische Frauenarbeit sei in den vergangenen 80 Jahren für viele Frauen Quelle und Brunnen gewesen, der lebendiges Wasser verteilt und Sinn gestiftet habe: “Ich wünsche der Evangelischen Frauenarbeit in den nächsten 80 Jahren noch viel durstige Frauen jeden Alters und lebendiges Wasser. Das tut uns allen gut.”
Chalupka: “Immer schon vorausgedacht”
Bischof Michael Chalupka erinnerte in seinen Grußworten an die Entstehungsgeschichte der Frauenarbeit mitten im Zweiten Weltkrieg, als Österreich Teil des nationalsozialistischen Deutschland war: “Das macht nachdenklich. Was war die Absicht der Gründung? Aus welchem Geist heraus ist sie geschehen?” Für die Evangelische Kirche sei diese Phase beschämend gewesen; sie habe sich in weiten Teilen der NS-Ideologie angeschlossen. Dass die EFA dazu früh auf Distanz gegangen sei, gehe unter anderem aus Akten hervor, die belegten, dass es NS-Funktionärinnen verboten war, zugleich Funktionen in der Frauenarbeit zu übernehmen. Mit Blick auf die Gegenwart verwies Chalupka darauf, dass viele Themen, die die Frauenarbeit in ihrer Geschichte aufgegriffen habe, noch immer aktuell seien, etwa die zur 50-Jahr-Feier formulierten Ziele, die biblische Botschaft “von patriarchalen Traditionen zu befreien”, oder die “Verantwortung, Gottes Schöpfung zu bewahren”. Damit habe die EFA “immer schon vorausgedacht”. In der Zukunft gehe es darum, Leitungspositionen in der Kirche so zu gestalten, dass Frauen darin auch Sinn fänden, was aktuell “anscheinend nicht der Fall” sei: “Ich verspreche, dass ich zum 90. Geburtstag wiederkomme und meiner Nachfolgerin lauschen werde.”
Moser: “Braucht Vision einer geschlechtergerechten Gesellschaft und Kirche”
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser beschrieb die Evangelische Frauenarbeit als Raum, in dem Frauen Gesellschaft und Kirche gestalten könnten. Dieser Raum sei einerseits ein konkreter Ort: Die EFA als Organisation mit ihrem Magazin, ihren Frauentagen, Frauenrunden. Sie sei so ein “Reflexionsort, Gestaltungs- und Entwicklungsraum”. Andererseits sei der Raum für Frauen auch eine Metapher, die für einen “Freiheitsraum” stehe, in dem es um Welt und Weltsicht gehe. “Wie wir Kirche sehen und leben bestimmt auch wie wir Kirche sehen.” Es brauche die Vision einer geschlechtergerechten Gesellschaft und Kirche. Um eine solche Kirche entwickeln zu können, brauche es die Frauenarbeit.
Rohrmoser: “Wir sind zäh und enthusiastisch”
Gerti Rohrmoser, die Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit, sah in der Gründung der EFA 1940 den Versuch der Kirche, das kirchliche Leben unter der NS-Herrschaft aufrechtzuerhalten. Seitdem wirke die Frauenarbeit „systemerhaltend“ etwa im gemeindlichen Leben. Rohrmoser erinnerte an die Rolle der Organisation in der Flüchtlingshilfe unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch in der Jugoslawienkrise in den 90er-Jahren. Und sie betonte die Tradition der ökumenischen und politischen Vernetzung, die für die EFA einen hohen Stellenwert habe: „Wir sind viele, manchmal laut, manchmal leise, wir sind zäh und enthusiastisch, manchmal ein bisschen verzagt, weil Dinge nicht so gelaufen sind. Eines aber war immer da: Dass wir Teil der Evangelischen Kirche sind. Niemand von uns möchte etwas anderes sein.“
Frieben: “Frauen haben System am Laufen gehalten”
Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, unterstrich die Bedeutung starker Frauenorganisationen in der gegenwärtigen Zeit, in der Frauenpolitik vor großen Herausforderungen stehe. Die Coronakrise habe gezeigt, welche Defizite es im Leben von Frauen gebe. “Es sind Frauen, die in der Krise die Gesellschaft am Laufen gehalten haben, in Berufen, die gesellschaftlich aber auch finanziell geringer geschätzt werden.” Zudem seien Frauen immer noch konfrontiert mit häuslicher Gewalt. “Es ist wichtig, dass wir Frauen haben, die darauf aufmerksam machen, dass wir politisches Handeln brauchen.”
Nittnaus und Uljas-Lutz: “Wagnis des Vertrauens”
Das Wagnis des Vertrauens hoben Silvia Nittnaus und Johanna Uljas-Lutz in ihrer Predigt hervor, in der sie auf die Begegnung Jesu mit einer nichtjüdischen Frau Bezug nahmen (Mt 15,21-28). Nittnaus interpretierte diese Begegnung, in der die Frau für ihre kranke Tochter bittet, als Grenzüberschreitung. Der Schritt der Frau sei ein Wagnis, das das Vertrauen ausstrahle, auf das es im Glauben ankomme: „Alles andere ist zweitrangig“. Uljas-Lutz hob ebenfalls den Mut der Frau hervor, die in der besagten Bibelstelle ohne Mann oder Vater auftrete. Sie sei den Frauen in der Kirche „zur Schwester geworden“. Das sei auch ein Auftreten gegen Ungerechtigkeit in der Suche nach einem mutigen und gerechten Menschen und nicht einer Lichtgestalt oder einem großen Lehrer.
Musikalisch gestaltet wurde der Festgottesdienst von der Wiener Diözesankantorin Yasuko Yamamoto (Klavier, Orgel), Constanze Posautz (Cello), Sophie Hassfurther (Querflöte), Constanze Henning und Tanja Ammon (Gesang) und dem Evangelischen Posaunenchor Zurndorf.
Die Evangelische Frauenarbeit in Österreich wurde 1940 gegründet, ihre Arbeitsschwerpunkte lagen zunächst vor allem in der Sorge um Kriegswitwen und -waisen sowie um Flüchtlinge. Heute ist die EFA u.a. gemeinsam mit der Diakonie Trägerorganisation von “Brot für die Welt” und engagiert sich im Bereich Bildung und Ökumene, etwa im Rahmen des jährlichen “Weltgebetstags der Frauen”.
Fotos vom Festgottesdienst finden Sie auf foto.evang.at