Adieu

 
von Evangelischer Pressedienst

Julia Schnizlein über große und kleine Abschiede

Nie wieder mit anderen müden Eltern auf viel zu kleinen Bänkchen sitzen und warten, bis die Kindergartenpädagogin die Tür aufsperrt. Nie wieder klammern sich kleine Ärmchen um mein Bein und jemand ruft: „Geh noch nicht, Mama!“, um dann beim Abholen zu motschgern: „Ich will aber noch spielen.“ Nie wieder Kindergarten – denn ab morgen ist unsere kleine Große ein Schulkind. Für mich als Mutter ist das ein kleiner Meilenstein, der mich auch ein wenig sentimental zurückblicken lässt. Es ist ein Abschied, der Raum braucht.

Wir alle kennen Abschiede, haben sie hunderte Male gelebt und doch fallen sie immer wieder schwer. Wir wollen festhalten – Menschen, Dinge, Angewohnheiten, Orte, die uns liebgeworden sind. Wir fürchten Abschiede! Dabei müssen sie nicht immer bitter sein. Es gibt sie auch, die schönen Abschiede, die leichten. Bei denen man weiß, dass man sich bald wiedersehen wird. Es gibt euphorische Abschiede, wenn eine quälende Zeit zu Ende ist. Es gibt die nostalgischen, die wehmütigen Abschiede, bei denen das Gewesene im Rückspiegel noch einmal verklärt wird. Am Ende der Urlaubszeit, der Kindergarten- oder Schulzeit oder des Arbeitslebens.

Aber natürlich gibt es auch die bitteren, die verzweifelten Abschiede, die uns manchmal unvorbereitet treffen. Die uns die Kehle zuschnüren und die Sprache verschlagen. Wenn wir wissen, dass wir einander auf dieser Welt nicht wiedersehen.

Und dann gibt es die vielen kleinen Abschiede. Jeden Abend, wenn wir das Licht ausknipsen, unseren Kindern noch einmal über den Kopf streichen, nehmen wir Abschied. Vom Tag und voneinander. Der Schlaf ist der kleine Bruder des Todes. Wir müssen alles zurücklassen. Nichts können wir mitnehmen.
Leben heißt, Abschied nehmen. Die Frage ist nur: wie?

In manchen Gegenden sagt man zum Abschied Adieu. Das heißt wörtlich: Hin zu Gott (ad deum)! Sei Gott anbefohlen. Sei seinen lieben Händen überlassen! Dort bist du gut aufgehoben und geborgen, auch wenn ich nicht da bin!

Das finde ich schön und sage: Adieu Kindergartenzeit: Maisstangen-verklebte Shirts, sandige Matschhosen, Morgenkreislieder, Bügelperlen- und Webrahmenbilder – seid Gott befohlen!

Im Herzen trage ich Euch weiter und gehe getrost dem entgegen, was kommen wird.

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