Corona: NGOs fordern Evakuierung griechischer Flüchtlingslager
Diakonie-Direktorin Moser: „Europa muss so schnell wie möglich handeln“
Athen/Lesbos/Wien (epdÖ) – Rund 150 zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen aus Österreich und aus ganz Europa – darunter die Diakonie Österreich – haben am Montag, 23. März, einen dringenden Appell an Spitzenpolitiker der EU und den griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis gerichtet und angesichts der Coronavirus-Pandemie die Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager gefordert.
„Wir fordern Sie unverzüglich zur Evakuierung der Flüchtlingslager und Hotspots auf den griechischen Inseln auf, um eine Katastrophe inmitten der Covid-19-Pandemie zu verhindern“, hieß es in dem gemeinsamen Schreiben. Viele Organisationen fordern Österreich zum Handeln auf.
„Über 42.000 Menschen befinden sich unter entsetzlichen Bedingungen in den völlig überfüllten Lagern auf den Inseln. Empfohlene Maßnahmen wie die Wahrung von Distanz zu anderen oder regelmäßiges Händewaschen sind schlicht unmöglich. Es gibt keine Chance, einen Ausbruch in einem Lager einzudämmen“, so der Brief, der weiters von Caritas Europa, SOS Mitmensch, der Volkshilfe Österreich, dem Arbeiter Samariter Bund Wien und Südwind unterzeichnet wurde. „Wir fordern einen Notfalleinsatz, um die Gesundheit und Sicherheit der Asylsuchenden, der Bevölkerung und der Hilfskräfte gleichermaßen zu garantieren.“
EU-Kommission, Europäischer Rat und Parlament müssten die EU-Mitgliedsstaaten dringend dazu auffordern, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Schutzsuchende aus Griechenland aufzunehmen. „Wir verlangen, dass das Menschenrecht Asyl zu suchen und zu genießen, wie es durch die Europäische Grundrechtecharta garantiert ist, unverzüglich wiederhergestellt und respektiert wird. Dazu gehört die Entgegennahme und Behandlung von Asylanträgen in fairen Asylverfahren und die Nichtbestrafung von Grenzübertritten von Menschen die Asylanträge stellen, sowie die vollständige Achtung des Non-Refoulement-Gebots, das derzeit durch rechtswidrige Pushbacks unterlaufen wird“, hieß es in dem Appell weiter.
„Europa muss jetzt so schnell wie irgend möglich handeln und in einem Notfalleinsatz die Geflüchteten auf den griechischen Inseln in geeignete Unterkünfte bringen – zum Schutz nicht nur der Flüchtlinge selbst, sondern auch der ortsansässigen Bevölkerung und der Hilfskräfte. Es ist nicht auszudenken, was passiert, wenn es zu einem Covid-19-Ausbruch in den Lagern kommen sollte“, sagt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser mit Verweis auf Ärzte ohne Grenzen. „Griechenland kann das nicht alleine stemmen, Österreich kann hier nicht tatenlos zusehen.“ Moser fordert eine gemeinsame Kraftanstrengung der EU-Mitgliedsstaaten, um zum einen Griechenland bei der Einrichtung geeigneter Unterkünfte auf dem Festland zu unterstützen, zum anderen aber auch Schutzsuchende in leerstehenden Quartieren in anderen EU-Ländern unterzubringen. Schutzsuchende sollten direkt in aufnahmebereite Länder ausgeflogen werden, dort zunächst in Quarantäne kommen und medizinisch und psychologisch betreut werden, während ihre Asylverfahren durchgeführt werden.
Moser verweist auch auf die Ankündigung des deutschen Innenministers Horst Seehofer, trotz der Einreisebeschränkungen aufgrund der Coronavirus-Krise an seiner Zusage festzuhalten und gemeinsam mit anderen EU-Staaten wie Frankreich, Irland, Portugal und Finnland Menschen aus den griechischen Lagern aufzunehmen: „Wenn sich Österreich schon nicht dazu durchringen konnte, mit gutem Beispiel voranzugehen, dann sollten wir jetzt dem Beispiel Deutschlands folgen und uns solidarisch an europäischen Initiativen beteiligen.“
Der Aufruf der NGOs wird auch bereits von zahlreichen Personen des öffentlichen Lebens, wie dem evangelischen Bischof Michael Chalupka, dem römisch-katholischen Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, dem Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi oder dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis unterstützt.
Deutschland hat unlängst zugesagt, 1.600 Flüchtlinge aus griechischen Lagern – vor allem kranke Kinder und ihre Familien – aufzunehmen. Mädchen unter 14 Jahren sollen besonders berücksichtigt werden. Für Österreich hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Aufnahme abgelehnt. Vertreter des Grünen Koalitionspartners haben sich im Gegensatz dazu dafür ausgesprochen.