Was wir jetzt brauchen
Julia Schnizlein über Liebe in Zeiten der Unsicherheit
Worüber schreibt man in Zeiten der Unsicherheit? Wenn täglich Selbstverständlichkeiten wegbrechen und uns die Zerbrechlichkeit des Lebens so deutlich vor Augen geführt wird?
An jenem Tag, an dem die Regierung die ersten drastischeren Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus verkündet hat, lautete der lange vorher festgelegte Tagesspruch aus der Bibel: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7)
Dieser Spruch ist so tröstlich, weil er alles ausdrückt, worum es dieser Tage geht: Kraft, Liebe und Besonnenheit.
Jeder von uns braucht eine gehörige Portion Kraft. Kraft, sich von der Ungewissheit nicht verrückt machen zu lassen. Kraft, auf liebgewonnene Angewohnheiten zu verzichten, das Leben neu zu ordnen, existenzielle Ängste auszuhalten und soziale Isolation zu überstehen.
Das alles geht nicht ohne die Liebe – zu uns selbst und zu anderen. Die Liebe ist nicht auf den eigenen Vorteil bedacht. Sie lässt uns mutig handeln und manchmal über unseren eigenen Schatten springen. Und sie lässt uns glauben und hoffen, allen Widrigkeiten zum Trotz.
Und angesichts der Widrigkeiten brauchen wir die Besonnenheit. Die Besonnenheit der in der Politik, der Medizin und Pflege Tätigen. Aber auch die Besonnenheit aller zum solidarischen Zusammenleben. Wir brauchen aber auch Besonnenheit im Sinne von sich besinnen. Auf das, was wichtig ist. Auf das, was zählt.
Christine zu Salm hat in ihrem Buch „Dieser Mensch war ich. Nachrufe auf das eigene Leben“ mit todkranken Menschen darüber gesprochen, was sie im Nachhinein bereuen, worauf sie stolz sind und was sie sich zum Ende hin noch erhoffen. Es geht dabei viel um Schuldgefühle und um Aussöhnungen, die nie stattgefunden haben. Es geht um mangelnde Anerkennung und vor allem geht es um verpasste Momente. Um Lebenszeit, die einfach nicht richtig genutzt wurde.
Es muss nicht erst der Tod anklopfen, bevor man erkennt, was im Leben wichtig ist. Auch Zeiten wie diese werfen uns auf das zurück, was zählt: „Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen“ (Albert Schweitzer). Jetzt ist es Zeit, diese Spuren zu ziehen.
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