Zukunft braucht Erinnerung
Von Gott und der Welt – Michael Chalupka über vergessene Schicksale
Wien ist nicht nur große Oper, sondern auch Hauptstadt der Operette. Viele Lieder der goldenen Zeit der Operette klingen noch immer im Ohr. Es ist nicht verwunderlich, dass auf vielen Häusern der Stadt eine Gedenktafel angebracht ist: welche Prominenz von wann bis wann hier gewohnt und was geschrieben hat.
„Aber die Gedenktafeln schweigen beharrlich über das weitere Lebensschicksal der also ‚Gedenktafel-Geehrten‘. Ja, Alfred Grünwald hat das Buch zu berühmten Operetten geschrieben, wie ‚Gräfin Mariza‘ (Kalman), ‚Die ideale Gattin‘ (Lehar), usw. Aber auch die Nazis haben ihn 1938 vertrieben, und er ist 1951 verbittert in New York gestorben. Und bei dem großen Lieder-Texter Löhner-Beda (‚Ausgerechnet Bananen‘ ) fehlt der Zusatz: Ermordet in Auschwitz 1942“, schrieb vor über 20 Jahren der reformierte Pfarrer Peter Karner.
Die Volksoper hat nun die Schicksale der 1938 Vertriebenen oder Ermordeten Ensemblemitglieder im Band „Ihre Dienste werden nicht mehr benötigt“ dokumentiert. Ein Gedenkstein vor dem Theater erinnert an ihre Lebensgeschichten. Zukunft braucht Erinnerung, heißt es auf dem Gedenkstein. Bei der interreligiösen Feier anlässlich der Errichtung waren Angehörige der Überlebenden anwesend. Für sie ist der Stein ein Zeichen, dass ihre Liebsten nicht vergessen werden sollen, für uns aber ist er eine Warnung, wie schnell aus Kollegen Täter und Opfer werden können.
Michael Chalupka ist evangelischer Pfarrer und designierter Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich. Kontakt: *protected email*