Pfingstwunder
Von Gott und der Welt – Michael Chalupka über verschwindende Sprachgrenzen
Von Gott und der Welt – Michael Chalupka über verschwindende Sprachgrenzen
Es wäre ein Wunder, könnten wir alle einander verstehen. Könnten wir mit dem Kellner in Italien mehr als nur ein „un cappucino, perfavore“ austauschen oder der slowakischen Pflegerin in ihrer Sprache für ihre Hilfe danken. Die Sprache, die Menschen verbindet, ist uns oft ein Hindernis.
Pfingsten erinnert an den Moment, in dem diese Sprachgrenzen auf einmal aufgehoben waren, an dem die Menschen sich verstanden und Wildfremde miteinander ins Gespräch kamen. Die Bibel schildert die Pfingstereignisse bewegt: Stürme und Feuerzungen schossen vom Himmel und bestärkten die verzagten Jünger Jesu zu predigen. Der Heilige Geist hatte sie erfasst. So weit, so biblisch – so weit weg von unserer Alltagserfahrung.
Was wundert bei diesem Wunder: Alle verstanden sich, aber sie sprachen nicht eine Sprache. Die Griechen redeten Griechisch, die Juden Hebräischen, und jeder verstand den anderen. Nicht Einheit, sondern Vielfalt ist das Motto des Heiligen Geistes.
Vielleicht bedurfte es des Heiligen Geistes hauptsächlich dazu, dass die Jünger Mut fassten, auf andere zuzugehen – über Sprachgrenzen und vor allem über die Mauer ihrer Angst hinweg. Der Heilige Geist, der weht wo er will. Und er hat auch heute noch viel zu tun bei seiner Liebe zur Vielfalt und Buntheit. Zu Pfingsten weht er kräftig, auch wenn ihm der Zeitgeist ins Gesicht weht. Der Heilige Geist hat den stärkeren Atem und den längeren.
Michael Chalupka ist evangelischer Pfarrer und designierter Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich. Kontakt: *protected email*