Im Gespräch – „Gemeinsam gegen Gewalt“
Maria Katharina Moser über Liebe, die heilt und nicht verletzt
Maria Katharina Moser über Liebe, die heilt und nicht verletzt
„Ich dachte ständig an die Worte des Hochzeitsgottesdienstes: In guten und schlechten Zeiten“, erzählt Anna. Vierzehn Jahre war sie mit einem Mann verheiratet, der sie kontrollierte, beleidigte und schlug, drei Mal musste sie ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sich aus dieser Gewaltbeziehung zu lösen, war ein steiniger Weg. Lange suchte Anna die Schuld bei sich: „Ich erlebte diese schlechten Zeiten und ich war Teil der Krankheit, und irgendwie schien alles mein Fehler zu sein. Mir war nie der Gedanke gekommen, dass in einer christlichen Ehe Missbrauch herrschen könnte. Ich war eine Versagerin. Und diese Überzeugung steigerte meine Isolation noch.“
Anna ist keine Ausnahme. Schätzungen der UN Women zufolge wird eine von drei Frauen Opfer physischer und/oder sexueller Gewalt. Meist ist der Täter ein Familienmitglied oder ein Bekannter. Gewalt kommt in den besten Familien vor, sie geht quer durch Bildungsschichten, Einkommensgruppen, Kulturen und Kontinente.
Über die Gewalt zu sprechen, ist ein wichtiger Schritt, um die Gewaltspirale zu unterbrechen. Für die betroffenen Frauen – und für unsere Gesellschaft insgesamt. Gewalt muss benannt und verurteilt werden. Überall, auch in unseren Kirchen und Pfarrgemeinden. Deswegen habe ich den Internationalen Frauentag am 8. März zum Anlass genommen, mich der Aktion „Donnerstags in Schwarz“ des Weltkirchenrats, an der sich auch der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich beteiligt, anzuschließen. Der Weltkirchenrat ruft dazu auf, am Donnerstag schwarze Kleidung zu tragen und einen Anstecker, um zu zeigen, dass man Gewalt nicht duldet. Denn: Wir alle tragen Verantwortung, uns gegen Gewalt auszusprechen und dafür zu sorgen, dass Frauen und Männer, Burschen und Mädchen vor Gewalt und Missbrauch geschützt werden.
Zu dieser Verantwortung gehört, als Kirche klar und deutlich zu sagen: Die Schuld liegt beim Täter, nicht beim Opfer. Und zu dieser Verantwortung gehört, die unheilvolle Verquickung von Liebe und Gewalt aufzudecken und zu durchbrechen. In einer Gewaltbeziehung gibt es „die guten und die schlechten Zeiten“: Liebevolle Zuwendung und Gewalt wechseln einander ab. Auf einen Gewaltausbruch folgen Reue, Entschuldigungen, Versprechen, sich zu bessern. Sie will glauben, dass er sich wirklich ändern kann – er ist doch ihr Mann, vielleicht der Vater ihrer Kinder. Also konzentriert sie sich auf die guten Zeiten – bis die schlechten wiederkommen und er zuschlägt.
„Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie duldet alles.“ Dieser Vers aus dem 1. Brief des Apostel Paulus an die Korinther sei wahrscheinlich der Bibeltext, der bei Hochzeiten am öftesten zitiert wird, sagt die Vertreterin des Weltkirchenrats Lyn van Rooyen. Immer wieder würde er auf gefährliche Art und Weise zitiert. „Als Menschen des Glaubens können wir nicht einfach sagen, dass Menschen in einer Beziehung, in der einer der Partner Gewalt gegen den anderen ausübt, ‚alles ertragen, alles hoffen, alles dulden‘ sollten“, so van Rooyen. „Wir haben die Verantwortung, einzutreten gegen Gewalt.“
Gewalt ist keine schlechte Zeit, die um der guten Zeiten willen ertragen werden muss. Liebe und Gewalt gehören nicht zusammen. Wo Liebe ist, gibt es keine Gewalt. Liebe verletzt nicht, Liebe heilt.
Dr. Maria Katharina Moser ist Direktorin der Diakonie Österreich. Kontakt: *protected email*