Im Gespräch – „Trotzdem“
Maria Katharina Moser über realistische Hoffnungen
Mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass seine Frau gestorben ist. Bald sind es zwei Jahre. Und der Verlust schmerzt wie am ersten Tag. Er ist einsam. Sein Herz ist gekränkt, und das hat ihn krank gemacht. Sein Körper lässt ihn im Stich. Also ist Hans in eine Einrichtung für betreutes Wohnen gezogen. Auch um in Gesellschaft anderer Menschen zu sein. Trotzdem ist er einsam. „Das Trauerjahr ist doch schon vorbei“, sagen die anderen. „Da wird es doch besser.“ Aber nichts wird besser. „Sei doch optimistisch, schau positiv in die Zukunft“, sagen die anderen. Aber da ist kein Optimismus, nur Schmerz.
Optimismus ist angesagt. Grundsätzlich und besonders zu Beginn eines neuen Jahres. Ein Buchtitel bringt es auf den Punkt: „Pessimisten küsst man nicht. Optimismus kann man lernen“. Wer kein Buch lesen will, kann ein Optimismus-Training machen oder einem Fünf-Schritte-Plan, der im Internet abrufbar ist, folgen. Optimismus kann man lernen – also selber schuld, wenn man unglücklich und pessimistisch ist. Andererseits: „Jedem denkenden Menschen ist doch klar, dass das Leben schlecht ausgeht. Erst verlieren wir alle uns lieben Menschen, und am Ende sterben wir selbst“, so der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer. „Ich würde sagen, diesen schlechten Ausgang ignorieren zu können – das nennt man Optimismus. Wenn jemand all das nicht verdrängen kann, dann erleben wir ihn als Pessimisten.“ Klingt nach Zwickmühle: Optimismus um den Preis der Verdrängung, die das Herz immer mehr kränkt, weil der Schmerz nicht ernst genommen wird – oder Pessimismus, der den Schmerz zwar zulässt, aber um den Preis des Unverständnisses, ja der Ablehnung von Seiten anderer.
Doch neben Optimismus und Pessimismus gibt es noch etwas Drittes: die Hoffnung. Der Dichter bekannter evangelischer Kirchenlieder Paul Gerhardt – einer, der wusste, wie es sich in der Höhle des Kummers lebt, sein halbes Leben lang herrschte Krieg, vier seiner fünf Kinder musste er beerdigen, nach einem Zerwürfnis mit dem Kurfürsten wurde er seines Amtes als Pfarrer enthoben – besingt sie: „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, die dein Fuß gehen kann.“
Die Hoffnung verdrängt nicht. Sie ist realistisch wie der Pessimismus. Aber sie ist nicht pessimistisch. Die Hoffnung lebt inmitten der Erfahrungen von Verlust, Schmerz und Leid. Mitten in diesen Erfahrungen ist die Hoffnung ein trotziges Trotzdem. Die Hoffnung sagt nicht, alles wird gut. Aber die Hoffnung überlässt die Zukunft nicht der Verzweiflung und vertraut, dass Gott einen Weg findet, der gangbar ist – für Hans und für jeden und jede für uns.
Dr. Maria Katharina Moser ist Direktorin der Diakonie Österreich. Kontakt: *protected email*
Jeden Sonntag sind Pfarrerin Maria Katharina Moser, Vikarin Julia Schnizlein und Pfarrerin Ingrid Tschank in der „Krone bunt“ – Kolumne „Im Gespräch“ zu lesen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von krone.at