Ja, wir haben Platz - auch für Flüchtlinge

Pfarrgemeinde der Auferstehungskirche gibt syrischer Familie ein Notquartier

 
von Martina Schomaker
Die Johanniter stellten Feldbetten zur Verfügung.
Die Johanniter stellten Feldbetten zur Verfügung.

Kinder-Hose, Damen-Jacke, Herren-T-Shirt, Kinderschuhe. Vikarin Angelika Reichl zieht ein Kleidungsstück nach dem anderen aus einer großen Tasche und legt sie sortiert auf den Tisch im Flur, der die Küche, die Toiletten und zwei Gemeindesäle in der Auferstehungskirche in Wien-Neubau verbindet. Auch vier Spielzeugautos findet sie in der Spendentasche. „Da werden sich die Kinder freuen.“

Von wem die Spenden kommen? „Das kann ich gar nicht sagen, der Kreis der Helferinnen und Helfer wird von Tag zu Tag größer.“ Dass seit Dienstag, 29. September, eine 15-köpfige Flüchtlingsfamilie in der Aufstehungskirche untergebracht ist, hat sich schnell in der Nachbarschaft herum gesprochen. „Jetzt helfen auch Freunde von Freunden von Gemeindemitgliedern und Nachbarn – Menschen, die zuvor nichts mit der Evangelischen Kirche zu tun hatten.“ Immer wieder werden Spenden in den Souterrain-Räumen in der Lindengasse vorbei gebracht. Drei Generationen, vom Enkel bis zum Opa, umfasst die Familie, die aus Syrien geflohen ist. Nein, nicht alle haben die Flucht überlebt. Zu sechszehnt ist die Familie aufgebrochen, 15 kamen in Wien an.

„Es tut gut zu helfen“, sagt Angelika Reichl, nimmt ein Paar rosafarbene Kinderschuhe und geht zu einem Bub im Vorschulalter. „Ihm könnten die Schuhe passen; noch sind die Kinder alle barfuß.“ Die Vikarin lächelt den Bub an, hält ihm die rosa Schuhe hin, kniet sich nieder, öffnet den Schuh, der Bub steigt hinein. Sie passen! Die Farbe ist egal. Und schon am nächsten Tag sind alle Kinderfüße mit Schuhwerk versorgt.

Die laufenden Sachspenden, das Aufstellen der Feldbetten von und mit den Johannitern zu Beginn sowie auch alles weitere rund um das Notquartier koordiniert Senior Hans-Jürgen Deml, Pfarrer der Auferstehungskirche. Auch den „Journaldienst“: Rund um die Uhr ist ein/e AnsprechpartnerIn für die Flüchtlingsgäste da – für alle Fälle. Für kleine Fragen, zum Beispiel wie das Backrohr funktioniert, und auch für den „worst case“, wenn ein Notruf getätigt werden müsste. Ein Journalbuch begleitet die Helferinnen und Helfer. Hier werden die wichtigsten Ereignisse sowie Hinweise notiert, was der nächste Journaldienst beachten muss.

Die alltägliche Verständigung funktioniert besser als gedacht mit Hand und Fuß und etwas Englisch. Gegenseitig lernt man deutsche und arabische Worte. Und für die schwierigen und wichtigen Gespräche haben sich bereits ehrenamtliche DolmetscherInnen gefunden. „Die Freundin einer Nachbarin zum Beispiel spricht fließend Deutsch und Arabisch. Sie ist oft hier – das ist super“, so Vikarin Angelika Reichl. Jutta Henner, Geschäftsführerin der Österreichischen Bibelgesellschaft, hat Bibeln in arabischer Sprache vorbeigebracht. „Nicht zum Missionieren“, sagt Pfarrer Hans-Jürgen Deml, „sondern um zu informieren, in welchem Haus sie untergekommen sind.“

Den Anfang des Notquartiers in der Auferstehungskirche nahm eine Anfrage der Bezirksvorstehung. Das Presbyterium der Pfarrgemeinde war sich schnell einig und antwortete: Ja, wir haben Platz und ja, auch für Flüchtlinge. – Dass Räume an die Flüchtlingsfamilie vergeben sind, schränkt die Gemeindearbeit nicht ein. Alle Gruppen und Kreise können stattfinden und viel mehr noch: sie werden durch die Gäste intensiviert mit neuen Erfahrungen und Blickwinkeln.

So ist der Kirchenschlaf der Konfis mit dem traditionellen Pizza-Backen in der Kirchen-Küche nicht wegen der Flüchtlingsgäste ausgefallen, sondern es wurde gemeinsam Essen zubereitet. Die Familie hat arabisch gekocht, die Konfis haben Pizza gebacken – gemeinsam wurde gegessen und  geteilt. Und als eine Fürsprecherin der Gemeinde von einer Anrainerin kritisch hinterfragt wurde, warum sie unterstütze, dass nun ausgerechnet hier Flüchtlinge unterkämen, antwortete das Kirchenmitglied: „Weil ich Christ bin!“

Knapp zwei Wochen, bis zum Sonntag, 11. Oktober, bleibt die Flüchtlingsfamilie in der Auferstehungskirche. Danach wird sie in ein fixes Quartier übersiedeln.

Text: Martina Schomaker

 Fotos: Hans-Jürgen Deml (2), Martina Schomaker (3)

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