Bischof über die Reformation: Fernwirkungen, Schattenseiten und das Potential zum Feiern
Bünker spricht im Reformationskurrikulum der Pauluskirche - „95 neue Thesen? Was ist heute evangelisch?“
95 neue Thesen? Nein, die präsentierte Bischof Dr. Michael Bünker nicht am Montag, 5. Oktober, im Gemeindesaal der Evangelisch-lutherischen Pauluskirche in Wien-Landstraße. Er sprach über die Fernwirkungen und Schattenseiten der Reformation und das anstehende Reformationsjubiläum 2017 im „Reformationskurrikulum“ der Paulus-Gemeinde. Die Veranstaltungsreihe findet zum heurigen „Jahr der Bildung“ statt. Das Kurrikulum trägt den Untertitel „95 neue Thesen? – Was ist heute evangelisch?“
Nachdem Bischof Bünker die guten „Fernwirkungen“ der Reformation, wie demokratische Strukturen und Menschenrechte, aber auch die Schattenseiten, wie der Antisemitismus Luthers ( eine Ausstellung dazu gastiert zurzeit in Wien-Hietzing, siehe „ Veranstaltungen “ ) und die Kirchenspaltung, vor den 20 Hörerinnen und Hörern lebendig besprach, kam er zu wohl spannendsten Frage des Abends: „Was bedeutet die Reformation für uns heute?“ Der Bischof warnte vor einer Überhöhung Luthers, nicht nur aufgrund seiner wenn auch späten antisemitischen Haltung, sondern auch, weil es andere Reformatoren und eine Vorreformation gegeben hatte. Kurz: „Die Zeit damals war reif.“ Reif für eine Veränderung, einen gesellschaftlichen Umsturz. Dieser, mit all seinen guten Fernwirkungen, gebe Grund zum Gedenken und zum Feiern.
Grund zum Feiern in 2017
Der 31. Oktober 2017, wenn sich der historische Thesenanschlag Luthers zum 500. Mal jährt, der solle in den Gemeinden gefeiert werden. „Nach Möglichkeit öffentlich und ökumenisch“, so Bünker. „Das Gustav-Adolf-Fest 2017 ist als regionales Reformationsjubiläum zu feiern. Gesamtösterreichisch feiern wir am Samstag, 30. September 2017 – und zwar auf dem Rathausplatz in Wien.“ Er bat darum, dass Wiener Pfarrgemeinden Evangelische anderer Bundesländer aufnehmen, damit auch diese das ganztägige, große Fest von Anfang bis zum Ende miterleben können. ( Weitere Termine zum Reformationsjubiläum untenstehend. )
Freiheit und Verantwortung
Doch – was genau soll in 2017 gefeiert werden? „Ein österreichweiter Diskussionsprozess hat bearbeitet, was von dem Vielen, was die Evangelische Kirche ausmacht, 2017 in die Auslage gestellt werden soll. Diese zwei Schwerpunkte kamen heraus: Freiheit und Verantwortung“, erklärte der Bischof. „Viele erinnern sich an Luthers Denkschrift ‚Von der Freiheit eines Christenmenschen‘. Da heißt es: ‚ Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.‘ – Das passt. Damit kann sich jeder identifizieren“, sagte Bünker.
„Mit dem zweiten Satz wird es schon schwieriger: ‚ Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.‘ – Wir leben also in einer Freiheit, die uns bindet. Und Freiheit, die bindet, ist Liebe. Wir Evangelische leben unsere Freiheit in Verantwortung – in Verantwortung für sich selbst, für die Mitmenschen, für diese Welt.“ Für 2017 gelte es besonders zu schauen, ob die Evangelische Kirche auf diesen drei Ebenen auf einem guten Weg sei. „Stichwort Flüchtling, Stichwort ökologische Krise, Stichwort Gerechtigkeit in der Welt, sprich Entwicklungszusammenarbeit“, konkretisierte Bünker.
„Hier stehe ich und kann nicht anders“
Zu diesen Themen solle sich die Evangelische Kirche deutlich positionieren, forderte Bischof Bünker. Mitmenschen sollten nicht rätseln, wie die Kirche zu den Themen stehe, das müsse klar sein. Auch wie jeder einzelne mit dem Sich-Positionieren umgehe, sei wichtig. „Wie positionieren wir uns als Evangelische?“ Bei der Beantwortung dieser Frage kämen der Religionsunterricht und Veranstaltungen wie das Reformationskurrikulum in den Fokus, die Evangelische bestärken ihre evangelische Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun, aber auch Social Media-Kanäle.
Im Anschluss an den Vortrag des Bischofs moderierte Thomas Breth, Gemeindemitglied und Leiter des Kurrikulums, die verschiedenen Fragen an Bischof Bünker und dankte ihm für sein Kommen.
Termine zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation in Wien
19. November 2016 : Europäischer Stationenweg macht Halt in Wien
(Zeit und Ort ab April 2016 auf www.evang-wien.at )
Jänner – Juni 2017 : Ausstellung zur Evangelischen Geschichte im Wien Museum
(genaue Termine finden Sie kommendes Jahr unter www.evangelisch-sein.at bekannt gegeben)
10. Februar 2017 : Europäischer Evangelischer Ball in den Redoutensälen Wien
(weitere Informationen ab Herbst 2016 auf www.evangelisch-sein.at )
Frühjahr und Herbst 2017 : Schülerinnen und Schüler geben Evangelische Stadtführungen in Wien, „Reformation in Bewegung“
(genaue Termine ab Jänner 2017 auf www.evang-wien.at )
15. Juni 2017 : Gustav-Adolf-Fest
(genauere Infos ab April 2017 auf www.evang-wien.at )
9. September 2017 : Herbstfest der Wiener Superintendentur
(genauere Infos ab Juli 2017 auf www.evang-wien.at )
30. September 2017 : Großes Fest am Rathausplatz
(Ablauf des Festtages ab März 2017 auf www.evangelisch-sein.at )
31. Oktober 2017 : Reformationsfest in jeder Pfarrgemeinde
Das Reformationskurrikulum trifft sich heuer noch zwei Mal, jeweils um 19:30 Uhr. Gäste sind herzlich willkommen:
- 18. November: Begegnung mit der Evangelischen Gemeinde H.B. mit LSI Mag. Thomas Hennefeld
- 2. Dezember: Begegnung mit der Katholische Kirche mit Domvikar Mag. Darius Schutzki
Text und Fotos: Martina Schomaker