Selbstbestimmt dienen
Maria Katharina Moser über die Diakonissin Helga Sikora (1937 – 2024)
„Was will ich? Dienen will ich. Wem will ich dienen? Dem Herrn Jesus in seinen Elenden und Armen. Und was ist mein Lohn? Ich diene weder um Lohn noch um Dank, sondern aus Dank und Liebe; mein Lohn ist, dass ich darf.“
Der Leitspruch der Diakonissen. Eine Haltung, die Helga Sikora zutiefst geprägt, mehr noch, die sie gelebt hat. 66 Jahre lang. Dieser Tage ist sie im 87. Lebensjahr verstorben. Mit ihrem Tod geht eine Ära zu Ende. Schwester Helga Sikora war die letzte in der Reihe von sieben Oberinnen der Diakonissen seit der Gründung der evangelischen Schwesternschaft im oberösterreichischen Gallneukirchen. Diakonissen sind Frauen, die ehelos in so genannten Mutterhäusern leben und in Sozial- und Pflegeberufen tätig sind.
Dass „dienen“, dass Dienst am Nächsten zu leisten etwas ist, das man darf, klingt ein wenig fremd in unseren Ohren. Was „dienen dürfen“ heißen kann, können wir in Sr. Helgas Biographie sehen. Nach Abschluss der Pflichtschule sollte sie eigentlich in einer Fabrik arbeiten. Ihr Weg führte sie, geleitet von der Diakonisse Mitzi Hubmer, nach Gallneukirchen. Dort lebte sie als sogenannte Haustochter mit, lernte die Lebensweise der Diakonissen kennen. 1955, im Alter von 18 Jahren, entschied sie sich, Diakonisse werden. Doch der Vater erlaubte es nicht. „Von 1955-1958 besuchte ich erfolgreich die Krankenpflegeschule am Landeskrankenhaus Graz“, erzählt Sr. Helga. „Danach war ich 21 Jahre alt und volljährig. Ich konnte selbst entscheiden.“ Viele Stationen folgten: Ausbildung zur Säuglingsschwester, Heimleiterin, Universitätslehrgang für Sozialmanagement, Oberin, Mitglied im Vorstand des Diakoniewerks.
Die Verbindung von Emanzipation, Handeln aus dem Glauben und professioneller Pflege und sozialer Arbeit, die sich in der Biographie von Helga Sikora zeigt, ist Markenzeichen der Diakonissentradition, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Kaiserswerth bei Düsseldorf entstand und 1874 auch nach Österreich kam. Die Arbeits- und Lebensgemeinschaft bot Frauen aus einfachen Verhältnissen die Möglichkeit, außerhäuslich, unabhängig von Vater oder Ehemann, tätig zu sein. Diakonissen absolvierten eine solide Ausbildung und etablierten die Krankenpflege als eigenständiges Berufsbild. Sie haben die Diakonie, die Hilfs- und Sozialorganisation der evangelischen Kirchen, wesentlich geprägt.
Gott und den Nächsten dienen – nicht für Lohn oder Dank, sondern aus Dank und Liebe – das ist ein sperriger Gedanke. Gerade in einer Gesellschaft, in der sich Leistung lohnen muss. Schwester Helga hat diesen Gedanken so erklärt: „Gott ist es, der uns die Liebe und das Verständnis für den Nächsten schenkt.“