Herr Niemand
Michael Chalupka über die Begegnung zweier Menschen beim Schach
Schach ist ein einfaches Spiel. Zumindest für Computer. Es folgt ein paar wenigen Regeln, die allerdings zu vielfachen Variationen führen können, sodass kein Spiel dem anderen gleicht. Es ist nun 25 Jahre her, dass der Rechner Deep Blue den damaligen Weltmeister Garry Kasparow besiegte. Wenn es um die reine Logik und Rechenleistung geht, sind Schachcomputer auch den besten menschlichen Spielern überlegen.
Und Menschen sind keine Maschinen. Das sieht man gerade am Dramolett, das sich zwischen dem amtierenden norwegischen Schachweltmeister Magnus Carlsen und dem jungen US-Amerikaner Hans Niemann abspielt. Der Weltmeister hat eine Partie gegen den vermeintlichen Nobody verloren und unterstellt seinem Gegner nun auf subtile Weise, betrogen zu haben. Beweise, dass sich Niemann einer geheimen Software bedient habe, gibt es bislang nicht. Doch das Vertrauen ist dahin. Magnus Carlsen glaubt nicht mehr daran, dass Hans Moke Niemann sauber spielt. Oder er kann nicht glauben, dass er von einem Gegner besiegt werden könnte, der im Ranking so weit hinter ihm liegt. Er könnte sich in beidem täuschen.
Menschen sind eben keine Maschinen. Auch wenn die Regeln noch so klar sind. Begegnen sich zwei Menschen, dann spielen auch Gefühle mit. Die reine Logik macht Pause. Das macht die Spannung des Spiels aus. Menschen sind keine Maschinen, und das ist gut so. Vielleicht zeigt sich darin ein Stückchen Seele.