Ökumenische Sommerakademie befasste sich mit dem Thema Vertrauen

 
von Evangelischer Pressedienst

Impulse gegen das Misstrauen in Gesellschaft und Kirche

Kremsmünster (epdÖ) – Unter dem Thema „Gesellschaft ohne Vertrauen – Risse im Fundament des Zusammenlebens“ stand die 23. Ökumenische Sommerakademie in Kremsmünster. Den Eröffnungsvortrag samt Appell zu mehr Vertrauen hielt der Gießener evangelische Theologe Philipp David. Dabei skizzierte er eine „kleine anthropologische Theorie des Vertrauens“, die soziologische Entwicklungen von vertrauensbasierten Gesellschaften hin zu einem „Zeitalter des Misstrauens“ nachzeichnete. Einen weiteren ersten thematischen Impuls zum Thema Vertrauen und Autorität bot der Berliner Sozialforscher Jan Wetzel. Vertrauen und Kontrolle würden einander bedingen und dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, so Wetzel. Einem generaldiagnostischen „grundlegenden Vertrauensverlust“ in der Gesellschaft könne er sich aus sozialwissenschaftlicher Sicht jedenfalls nicht anschließen, sagte Wetzel. Dazu sei die Gesellschaft zu ausdifferenziert und komplex.

Polak: Lokale Gemeinschaften geben Orientierung

Die aktuelle Vertrauens- bzw. Legitimitätskrise der Kirche müsse als Chance genutzt werden, um die Kirche zu erneuern, damit diese ihre Mission im 21. Jahrhundert erfüllen kann. Davon hat sich die Wiener Pastoraltheologin und Religionssoziologin Regina Polak in ihrem Vortrag überzeugt gezeigt. Entscheidend sei unter anderem, „dass die Kirchen an der Seite der Menschen stehen – ob in der Seelsorge oder im gesellschaftlichen Einsatz in den Krisen der Gegenwart“. Krieg, Klimawandel, Migrationen seien keine Nebenbaustellen der Kirche, „sondern schaffen Situationen der Bewährung, auch der gesellschaftspolitischen“. Überdies bekomme im Krisenkontext die soziale Gestalt des christlichen Glaubens eine zentrale Relevanz. Polak: „Es sind die stabilen lokalen Gemeinschaften und Gemeinden, die wie ein sozialer Schutzwall, wie soziale Sandsäcke Orientierung und Halt geben, wenn die Institutionen der Gesellschaft erodieren oder gar implodieren.“

Psalmen und Pandemie

Die Psalmen und die darin vermittelte Sehnsucht des Menschen, vertrauen zu können, stellte die Linzer Alttestamentlerin Susanne Gillmayr-Bucher in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Vertrauen zu dürfen, werde in den Psalmen als eine wünschenswerte, zugleich aber alles andere als selbstverständliche Haltung dargestellt. Betroffene seien ganz unterschiedliche Lebensbereiche, die zwischenmenschliche, sozial-politische Dimension, die Gottesbeziehung wie auch das Vertrauen in das Funktionieren der Natur und des Kosmos. Die Kärntner Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle beleuchtete in ihren Ausführungen, wie Krieg und Pandemie die Demokratie verändern. Covid sei wesentlich mehr als nur eine gesundheitliche Krise „und der Angriff Russlands auf die Ukraine hat zusätzlich unser Vertrauen erschüttert“. Energiekrise und Inflation würden den sozialen Frieden bedrohen. Die Parteien in Österreich stünden vor der Frage, wie es gelingen könne, mit transparenter Politik das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen.

Der orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic, Moderator Helmut Obermayr und der katholische Bischof Manfred Scheuer bei der Podiumsdiskussion. (Foto: Georg Pulling/Kathpress)

Freundschaft als Bedingung für Vertrauen

Die Erfahrung von Freundschaft sei eine der ganz wesentlichen Bedingungen für die Ermöglichung von Vertrauen. Das war eine der zentralen Botschaften der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem katholischen Bischof Manfred Scheuer und dem orthodoxen Bischof Andrej Cilerdzic. Der evangelische Superintendent Gerold Lehner war kurzfristig erkrankt und verhindert. Scheuer hob in der Diskussion u.a. die Generationengerechtigkeit hervor, an der sich die Glaubwürdigkeit der Kirche zu messen habe. Die Kirche schulde den jungen Menschen die Möglichkeit, das eigene Leben in die Hand nehmen zu können. Er sei persönlich auch sehr dankbar für die vielen Freunde, die er in den Geschwisterkirchen habe, sagte Bischof Scheuer weiter. Das Lernen voneinander werde als Bereicherung und nicht als Gefahr für die eigene Identität verstanden. In diese Kerbe schlug auch Bischof Cilerdzic: Im persönlichen Dialog könne man sich von der Aufrichtigkeit des anderen überzeugen und werde selbst bereichert. Das gelte nicht nur für die orthodox-katholischen, sondern ebenso für die orthodox-evangelischen Beziehungen.

Generalvikar Lederhilger: Vertrauen „wie ein Lebenselixier“

Beim ökumenischen Abschlussgottesdienst unterstrich der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger in seiner Predigt, dass Vertrauen – sowohl jenes, das man schenkt als auch geschenkt bekommt – „wie ein Lebenselixier“ sei. Wenn es fehle, „gerät die Existenz von Menschen und ihren Gemeinschaften aus dem Gleichgewicht“. Die Sprachwurzel des hebräischen Wortes „Amen“ bedeute sowohl Treue, Sich-Anvertrauen, Sich-auf-etwas-Stellen, aber auch Festigkeit, guter Boden und Grund. Im Wort „Amen“ sei präzis zusammengefasst, was Glauben im christlichen Sinne heiße: „Dass sich ein Mensch auf einen festen Grund stellt, der gerade deshalb trägt, weil er ihn nicht selbst gemacht.“ Dieser feste Grund sei für die Christen Jesus Christus.

Die 23. Ökumenische Sommerakademie im Stift Kremsmünster wurde von der Katholischen Privatuniversität Linz, dem Evangelischen Bildungswerk Oberösterreich, der Kirchenzeitung der Diözese Linz, dem Land Oberösterreich, dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich, dem ORF und dem Stift getragen.

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