Weltknotentag
Maria Katharina Moser über das Lösen von Knoten
Wissen Sie, welcher Tag heute ist? Heute ist Weltknotentag. Das sagt mir ein Blick auf den Kalender der kuriosen Feiertage. Mit diesem Tag will die Internationale Gilde der Knotenbinder, eine Vereinigung von Menschen mit Interesse an Knotentechniken, das Knotenbinden fördern und das öffentliche Bewusstsein für die Wichtigkeit von Knoten im Alltag schärfen. Menschen in aller Welt sind aufgerufen, am heutigen 18. September ein Foto von sich auf Social Media zu posten, das sie zeigt beim Binden von Knoten. Derer gibt es immerhin über 2000, wie im „Ashley-Buch der Knoten“, der „Bibel“ der Gilde der Knotenbinder, nachzulesen ist.
In meiner Bibel geht es nicht um das Binden von Knoten, sondern um das Lösen. So heißt es vom Propheten Daniel im Alten Testament, dass er Träume deuten, Rätsel erklären und Knoten lösen konnte. Und der Prophet Jesaja fordert seine Hörer und Hörerinnen auf, mit den Hungrigen ihr Brot zu brechen, die ohne Obdach ins Haus zu führen und die Knoten ungerechter Fesseln zu lösen.
Auch im Alltag beschäftigt mich persönlich weniger das Binden als das Lösen von Knoten. Das fängt an bei Knoten in der Wolle oder in Schuhbändern und reicht über den Knoten im Kopf, wenn ich bei einem Problem nicht weiterkomme, und den Knoten im Bauch, wenn ich in Emotionen verstrickt bin, bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen, die bisweilen verworren und verschlungen sind.
Vom Lösen eines Knotens erzählt die griechische Sage vom gordischen Knoten. Wer ihn lösen könne, der würde die Herrschaft in Asien erringen, prophezeit ein Orakel. Viele kluge und starke Männer versuchen es und mühen sich, die verschlungenen Fäden zu entwirren. Vergebens. Alexander der Große hingegen greift kurzerhand zum Schwert und schlägt den Knoten mitten entzwei.
So klappt das nicht bei meinen alltäglichen Knoten. Da halte ich mich lieber an die Geschichte von der Knotenlöserin, einem Kinderbuch von Lena Raubaum mit wunderbaren Illustrationen von Clara Frühwirth, das mir eine befreundete Familie zu meiner Amtseinführung geschenkt hat. Wenn die Knotenlöserin in die Stadt kommt, laufen alle zusammen. Sie setzt sich zum Brunnen, wo alle sie finden können, und die Menschen bringen ihr „all das, was verwirrt und verirrt, verschlungen und verwickelt, verstrickt und verzwickt ist“. Geduldig löst sie Knoten um Knoten. Doch ein paar lässt sie übrig und wenn jemand fragt, warum, erklärt sie: „Manche Knoten sind nicht mein, manche Knoten müssen sein, manche lösen sich ganz von allein.“