Was ist gut?

 
von Evangelischer Pressedienst

Julia Schnizlein über die Maxime unseres Handelns

Ist es okay, wenn man nachts eine rote Ampel überfährt, weil man sieht, dass weit und breit niemand anders unterwegs ist? Muss ich wirklich Müll trennen, wenn ich weiß, dass es die Nachbarin auch nicht tut? Darf man andere anlügen, um sie nicht zu kränken? Mit solchen Gewissensbissen werde ich als Pfarrerin häufig konfrontiert und meine Antworten machen mich nicht gerade beliebt. Denn will man wirklich wissen, was gut und richtig ist, dann muss die Antwort Nein lauten. Nein, man darf rote Ampeln nicht überfahren. Nein, man darf Mülltrennung nicht ignorieren. Nein, man darf andere nicht anlügen.
Die Richtschnur für die Frage, was gut und richtig ist, liegt in der sogenannten Goldenen Regel: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu.“ Sie ist eine Art moralische Quintessenz, die viele Religionen und philosophische Strömungen miteinander teilen.

Jesus formuliert sie im Lukasevangelium mit folgenden Worten: „Behandelt die Menschen so, wie ihr von ihnen behandelt werden möchtet.“ Der Philosoph Immanuel Kant hat dieses Prinzip in seinem kategorischen Imperativ noch um die Formel erweitert: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz wird.“

Bei allem, was wir tun oder lassen, sollen wir uns also die Frage stellen: Wäre es gut, wenn sich alle Menschen immer und überall so verhalten würden, wie ich? Können wir die Frage mit Ja beantworten hat diese Maxime den Test bestanden.

Die Maxime „jeder definiert selbst, wann rote Ampeln zu beachten sind“ würde den Test nicht bestehen. Denn dann würde der eine rote Ampeln überfahren, weil er es eilig hat, der andere, weil er quengelnde Kinder auf der Rückbank hat und der dritte vielleicht einfach nur weil er den stärkeren Motor hat. Und wir müssten vermutlich tausende Verkehrstote in Kauf nehmen.

Das Gleiche gilt fürs Mülltrennen. Und es gilt natürlich auch fürs Lügen. In einer Welt, in der wir uns darauf einigen, dass jeder selbst bestimmt, wann und wo die Wahrheit angebracht ist, könnte keiner mehr dem anderen vertrauen. In so einer Welt möchte ich nicht leben.

Mit allem, was wir tun, definieren wir die Welt, in der wir leben. Daher lohnt es sich, mit dem Guten und Richtigen bei uns anzufangen.

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