Was du heute kannst besorgen
Julia Schnizlein über unangenehme Aufgaben und das Leben im Heute
Noch nie war meine Wohnung so sauber wie zum Ende meines Studiums, als es darum ging, Kirchenrecht zu lernen. Alles war wichtiger: Staubsaugen, Geschirrspülen sogar Fensterputzen…
Sicher kennen Sie das auch: Sie haben eine unangenehme Aufgabe vor sich, egal ob Steuererklärung, Zahnarztbesuch, ein schwieriges Gespräch oder eine schwere Entscheidung, und Sie schieben es immer wieder vor sich her. Sie stürzen sich in Arbeit, betäuben sich mit Netflix-Serien, beschwichtigen sich mit Ausreden und versuchen alles Mögliche, um sich der Herausforderung nur ja nicht stellen zu müssen. Aber leider ist aufgeschoben nicht aufgehoben. Stattdessen wird die Zeit, die unliebsame Aufgabe zu bewältigen, kürzer. Der Teufelskreis wird enger und der Druck größer. Manchmal ist es dann tatsächlich zu spät.
Dieses Aufschiebeverhalten hat einen Namen. Man nennt es Prokrastination – also „auf morgen“-Verschieben. Es ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark ausgeprägt, aber beinahe jeder hat es schon einmal erlebt.
Die Prokrastination ist nicht neu. Schon die Bibel kennt dieses Phänomen. Vor allem der Apostel Paulus versucht daher die Menschen immer wieder zu ermutigen, das Heute zu schätzen und es zu nutzen. Im Wissen, dass die Zeit, die wir zur Verfügung haben, nicht ewig ist.
Bei seinem „carpe diem – nutze den Tag“ ging es Paulus freilich weniger um Steuererklärungen und Prüfungsvorbereitung, als vielmehr darum, unheilsame Angewohnheiten aufzugeben und so zu leben, wie Gott es sich für uns wünscht. Das beinhaltet mitunter unangenehme Aufgaben: Zum Beispiel auf Menschen zuzugehen, die uns verletzt haben oder denen wir wehgetan haben. Loszulassen, was man nicht halten kann, auch wenn es schmerzt. Herausforderungen anzugehen, vor denen wir uns im Inneren fürchten, im Vertrauen darauf, dass das, was heute unüberwindlich erscheint, schon beim ersten Schritt niedriger und leichter zu bewältigen sein wird.
„Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ Auch diese Tatsache kennt die Bibel. Aber sie darf nicht zur billigen Ausrede werden. Denn „die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart. Der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht. Das notwendigste Werk ist stets die Liebe.“ (Meister Eckhart)