Nachhaltigkeit: Kirchen als Vorbilder und Pressure Groups
Synodaler Studientag zu UN-Entwicklungszielen
Synodaler Studientag zu UN-Entwicklungszielen
Wien (epdÖ) – Kirchen müssen in Sachen Nachhaltigkeit Druck auf politische EntscheidungsträgerInnen ausüben, aber auch selbst beispielhaft vorangehen. Darin bestand Einigkeit bei einem synodalen Studientag zu den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (SDGs, „Sustainable Development Goals“) am Samstag, 6. April, in Wien. „Wir wollen uns fragen, was wir vor Ort machen können, was in der Region, und was in der gesamten Kirche. Was können wir tun, und was können wir bewegen?“ fasste Oberkirchenrat Karl Schiefermair die Aufgabenstellung zusammen. Er hatte den Studientag gemeinsam mit Hannah Satlow, Bildungsreferentin von Brot für die Welt, und Michael Chalupka, Geschäftsführer der Diakonie Bildung, organisiert. „Als Kirche sind wir besonders in die Verantwortung gerufen, die Schöpfung zu bewahren. Es ist auch wichtig, unsere Regierung zu ermahnen und dabei zu begleiten, die Ziele, auf die sie sich verpflichtet hat, auch einzuhalten, weil wir hier säumig sind“, meinte Chalupka im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst.
Satlow: Eine gute und viele schlechte Nachrichten in Sachen Armut
„Die gute Nachricht ist: Die extreme Armut wurde seit dem Jahr 2000 halbiert“, eröffnete Hannah Satlow ihren Beitrag zum Thema Armut, das in der UN-Agenda als erstes gelistet wird und im Rahmen des Studientags gemeinsam mit Konsum (Nr. 12) und Klimaschutz (Nr. 13) im Fokus stand. Dennoch seien immer noch 783 Millionen Menschen weltweit von extremer Armut betroffen, müssten also mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen, schränkte Satlow ein. Armut sei zudem mit schwerwiegenden Folgeproblemen verbunden: Hunger, Krankheit, sinkende Lebenserwartung, Ausgrenzung, Diskriminierung seien wesentliche Folgeerscheinungen, aber auch wachsende Geschlechterungerechtigkeit: „Je mehr eine Bevölkerung von Armut betroffen ist, desto früher werden Mädchen verheiratet. Das bedeutet oft frühe Mutterschaft, ein hohes Gesundheitsrisiko, und meist das Aus für Bildung und Ausbildung.“ Zwar gebe es in Österreich keine Fälle extremer Armut, aber auch hier seien verstärkt Frauen betroffen, die zwei Drittel der Fälle von Altersarmut ausmachten.
Krenn: Religionsgemeinschaften müssen „Wahrnehmungsrahmen neu setzen“
In Klimafragen müssten Religionsgemeinschaften, „den Wahrnehmungsrahmen neu setzen“, sagte Martin Krenn von der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz. Er unterstrich die enge Verknüpfung ökologischer und sozialer Fragestellungen. „Der Schrei der Erde und der Schrei der Armen“ hätten immer dieselben Hintergründe, zitierte Krenn aus der 2015 veröffentlichten Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus. Die Frage der Gerechtigkeit sei daher in jeder Ökologiedebatte mitzudenken. Das aktuell gültige Pariser Klimaabkommen von 2015 bewertet Krenn als großen Durchbruch, äußert aber auch Kritik. So müsse jeder Staat selbst vorschlagen, wieviel an Treibhausgasemissionen er einsparen wolle. Diese eigene Zielvorgabe würde dann vertraglich verbindlich. Mit den bisherigen Angaben der Staaten liege man aber weit über den angestrebten 1,5 Grad Celsius an globaler Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Da sei noch viel zu tun, denn auch eine nur um ein halbes Grad höhere Erderwärmung hätte drastische Folgen. Krenn mahnte zudem ein, dass Klimaschutzziele oft mit anderen Zielen im Konflikt lägen, so zum Beispiel der Ernährungssicherung. Das werde besonders deutlich, wenn es um die Verwendung agrarisch hergestellter Treibstoffe gehe, die Anbauflächen und Ressourcen für Nahrungsmittel raubten.
Bogner: Gemeinden sollen Treibhausgasemissionen ausweisen
Thomas Bogner von der Österreichischen Energieagentur reflektierte in seinem Beitrag Änderungen im Konsumverhalten. In österreichischen Kirchen vermisst der Energieexperte einen klaren Ausweis der Treibhausgasemissionen der Pfarrgemeinden, wie das in Deutschland – zum Beispiel in der Nordkirche – schon fallweise geschehe. Dadurch würden Einsparungspotenziale deutlich. Bogner verwies auch auf die Kooperation des Vereins zur Förderung kirchlicher Umweltarbeit mit der staatlichen Klimaschutzinitiative „klimaaktiv“, die bei der Planung und Umsetzung von Einsparungsmaßnahmen berät – das könne Heizen, Bauen, Sanieren, Mobilität oder nachhaltige Beschaffung beinhalten, so Bogner.
Koch: „Politischen Druck erzeugen“
Als externe Beobachterin war SDG-Botschafterin Katharina Koch eingeladen worden, um zum innerkirchlichen Diskussionsprozess Stellung zu beziehen. „Es ist wichtig, selbst etwas zu tun, Leute über die aktuelle Situation zu informieren und politischen Druck zu erzeugen“, sagte Koch, eine von 43 ehrenamtlichen BotschafterInnen der AG Globale Verantwortung, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Die BotschafterInnen halten unter anderem selbst Workshops, entwickeln oder begleiten Initiativen oder gehen Kooperationen mit Landesregierungen ein.
Die Impulsreferate wurden von Workshops mit den Vortragenden ergänzt, die Ergebnisse der Diskussion sollen zusammengefasst und der Generalsynode vorgelegt werden. Eröffnet worden war der synodale Studientag mit einer Andacht und einem stillen Gedenken an Norman Tendis. Der Kärntner Pfarrer hatte sich intensiv mit Fragen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes befasst und den Studientag mit vorbereitet. Anfang März war er auf dem Weg zu einer UN-Umweltkonferenz bei einem Flugzeugabsturz in Äthiopien ums Leben gekommen.