Kirchenhistorikerin Schweighofer: Bildungsbestrebungen der Jesuiten Reaktion auf Reformation

 
von Evangelischer Pressedienst

Vortrag und Diskussion zum 500. Geburtstag des Gegenreformators Petrus Canisius

Wien (epdÖ) – Den Ausbau des Bildungsbereichs durch die Jesuiten im 16. Jahrhundert versteht die evangelische Kirchenhistorikerin Astrid Schweighofer auch als direkte Reaktion auf das intensive Eintreten der Reformatoren für Bildung, auf die Herausforderungen durch die Reformation und den Geist der Zeit. Bei einer Online-Diskussion anlässlich des 500. Geburtstags des römisch-katholischen Theologen und jesuitischen Gegenreformators Petrus Canisius im Rahmen der Wiener Theologischen Kurse am Montag, 10. Mai, sagte Schweighofer: „Bildung hatte in der Reformationsbewegung einen hohen Stellenwert. Die Jesuiten haben ihre Bildungsbestrebungen intensiviert als Antwort auf das Bildungsengagement der Reformatoren.“ Der Umgang mit neuen Medien wie dem Buchdruck, die Verwendung der deutschen Sprache im Gottesdienst, die offene Kritik an den kirchlichen Missständen oder etwa das reformatorische Verständnis, dass Gnade vor Gott nicht von finanziellen Mitteln abhänge, habe den Protestanten einen großen Zulauf im Volk beschert. Canisius war einer der ersten Jesuiten gewesen, die 1552 nach Wien bestellt worden waren, um die dort um sich greifende Reformation zu bekämpfen. Er baute hier etwa die Katholisch-theologische Fakultät neu auf, gründete ein Jesuitenkolleg und verfasste einen einflussreichen Katechismus.

„Katholische Seelsorge schwächelte massiv“

In einem kurzen Referat führte Schweighofer in die Wiener Glaubenslandschaft zur Mitte des 16. Jahrhunderts ein. Die Reformation war früh auf fruchtbaren Boden gestoßen, ebenso früh folgten die ersten Gegenmaßnahmen. 1524 wurde mit Caspar Tauber der „erste Blutzeuge“ der Reformation in Wien hingerichtet, vier Jahre später Balthasar Hubmaier und dessen Frau. Dennoch habe der Protestantismus im Bürgertum Fuß gefasst. Auch setzten adelige Grundherren in Pfarren rund um Wien evangelische Prediger als Pfarrer ein. Demgegenüber schwächelte „die katholische Seelsorge massiv, althergebrachte Frömmigkeitstraditionen fanden ihr Ende, viele Klöster waren verwaist, und es fehlte an geeignetem kirchlichen Nachwuchs“. Bis zu 80 Prozent der Bevölkerung seien um 1550 evangelisch gewesen. Ferdinand I., Herrscher in den Habsburgischen Erblanden, rief die Jesuiten zur Hilfe. „Ziel war die unbedingte Rückführung der Gläubigen in den Schoß der wahren, katholischen Kirche; Mittel dazu umfassende Bildungsinitiativen, Predigt, Katechese, Seelsorge, aber auch propagandistisch inszenierte Jesuitentheater-Aufführungen“, so Schweighofer. Das Abhalten lutherischer Gottesdienste in Bürgerhäusern wurde untersagt. Bereits 1556 verlässt Canisius Wien wieder. Die Gegenreformation in der Stadt war damit noch nicht zu Ende, sie hatte aber gehörig Fahrt aufgenommen. Nach einem Zwischenspiel, in dem die evangelischen Landstände von ihrem verschuldeten Landesherren sogar die Legalisierung des Protestantismus erwirken konnten und im Landhaus evangelische Gottesdienste feierten, wurden die gegenreformatorischen Maßnahmen dann unter Rudolf II. energisch fortgesetzt.

„Wanderer zwischen den Welten“ und Befürworter der Hexenverbrennungen

Lobende Worte für Canisius fand der Superior der Jesuitenkommunität Wien, Markus Inama. Von Canisius zu lernen bedeute, die Orte an den Rändern der Gesellschaft auszumachen, an denen man als Ordensmann heute gefordert sei. Darin seien sich Canisius und Papst Franziskus ähnlich. In seiner Bereitschaft, unumwunden auf Menschen zuzugehen und sich auf deren religiöse Sprachformen einzulassen, sei Canisius modern gewesen, betonte die Linzer Pastoralamtsleiterin Gabriele Eder-Cakl. Sie bezeichnete ihn als Wanderer zwischen den Welten, der nie gescheut habe, dorthin zu gehen, wo Not am Mann gewesen sei. Einen wunden Punkt machte sie schließlich in Canisius‘ Unterstützung der Hexenverbrennungen aus. Dies sei insgesamt ein „sehr dunkles Kapitel in der Katholischen Kirche“, das weiterhin aufgearbeitet werden müsse.

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