Im Kindergarten
Maria Katharina Moser erinnert an die bis heute prägenden Anfänge einer wertvollen pädagogischen Einrichtung
„Immer schon stört es mich, dass das Verhalten von Erwachsenen, die sich ‚nicht benehmen können‘, mit der Aussage ‚wie im Kindergarten‘ bezeichnet wird“, schreibt mir Veronika. Sie ist seit 30 Jahren im Bereich Pädagogik tätig. Erst kürzlich sei ihr die Formulierung „wie im Kindergarten“ als Politiker-Zitat und Headline über einem Medienbericht, in dem es um Koalitionsstreitigkeiten ging, aufgefallen. Die Phrase scheint mir bezeichnend für das Bild, das unsere Gesellschaft von dieser Institution hat. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Gedankenlosigkeit hinter solchen Aussagen steht oder Unwissenheit. So wie so kann ein Blick auf die Geschichte des Kindergartens helfen.
1840 eröffnete der Pädagoge und Sohn eines evangelischen Pfarrers Friedrich Fröbel den ersten Kindergarten im thüringischen Blankenburg. Es war die Zeit der frühen industriellen Revolution: neue Massenarmut, auch Frauen mussten schuften, Kinder blieben sich selbst überlassen. In Reaktion darauf entstanden neben Kinderheimen auch Kindertagesstätten. Fröbel wollte mit seinem „Allgemeinen Deutschen Kindergarten“ keine weitere Kinderaufbewahrungsstätte eröffnen, sondern eine Bildungseinrichtung. Er erkannte, wie wesentlich die frühe Kindheit für die Entwicklung ist. Zu freien, denkenden Menschen wollte er die Kinder erziehen. Spielerisch sollten sie lernen. Er sah im Spiel eine Tätigkeit, um Vorstellungskraft und körperliche Fähigkeiten zu erproben.
„Kindergarten“ nannte Fröbel seine Bildungseinrichtung – der Begriff wurde in über 40 Sprachen übernommen. Er kommt nicht von ungefähr. Fröbel wollte Kindern einen Freiraum zum Wachsen und Erblühen bieten. „Kinder sind wie Blumen“ sagte er. „Man muss sich zu ihnen niederbeugen, wenn man sie erkennen will.“ Jedes einzelne Kind wahrnehmen. Begegnung auf Augenhöhe. Das wird in Kindergärten gelebt. Und gelernt. Wenn ich einen unserer evangelischen Kindergärten besuche, erlebe ich das besonders eindrücklich bei der Morgenrunde. Die Kinder sitzen im Kreis. Nehmen wahr, wer da ist. Singen gemeinsam. Lernen, sich anderen mitzuteilen und auf andere zu hören. Ein Kind nach dem anderen wird begrüßt und kommt zu Wort.
Deshalb ärgert sich Veronika zurecht, wenn despektierlich „wie im Kindergarten“ gesagt wird. Und mit ihr ärgern sich die vielen Frauen und einige Männer, denen sie im Laufe ihrer Berufsjahre begegnet ist und die sich, wie Veronika schreibt, „in ihrem Beruf als Elementarpädagog:innen dafür engagieren, dass Kinder jeden Alters einen friedvollen und wertschätzenden Umgang miteinander pflegen, einander in ihrer Eigenart respektieren und im Gebrauch von Worten umsichtig sind.“