Hochzeitssegen
Maria Katharina Moser über das Verhältnis von Güte und Treue, Gerechtigkeit und Frieden
Sommerzeit, Hochzeitszeit. „… dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen“, diesen Vers aus Psalm 85 haben sich Maja und Alex ausgesucht als ihren Trauspruch, als biblisches Motto für ihre Ehe. Weil dieser Bibelvers beschreibt, was sie aneinander und miteinander haben, und ihnen gleichzeitig Orientierung gibt, wenn es mal nicht so läuft. Weil er beschreibt, was zur Liebe dazu gehört: Güte, das heißt auch Freundlichkeit, einander wohl-tun, Zusammenhalt; Treue, das heißt auch Verlässlichkeit, Wahrhaftigkeit, Wahrheit; Gerechtigkeit, das heißt auch Gleichberechtigung; Friede, das heißt mehr als kein Streit, das heißt Heilsein, Ruhe, Sicherheit.
Güte und Treue begegnen einander, Gerechtigkeit und Friede küssen sich. Klingt sehr harmonisch. Ist es aber nicht unbedingt. Denn die Frage ist: Kuss oder Kampf? Gehen freundliche Güte und wahrhaftige Treue Hand in Hand – oder prallen sie aufeinander? Küssen sich Friede und Gerechtigkeit, oder kämpfen sie? Im hebräischen Urtext sind beide Interpretationen möglich; es ist die deutsche Übersetzung, die so eindeutig daherkommt.
Tatsächlich: Ein Friede, der die Wahrheit verschleiert oder Wunschprojektionen als Wirklichkeit ausgibt, wäre ein falscher Friede. Treue, der die Güte fehlt, erkaltet zur Prinzipientreue. Wahrheit kann ungnädig sein, Wahrheit ohne Güte stellt bloß. Genauso kann Güte geheuchelt sein, wenn sie sich nicht ehrlich ansprechen traut, was ist. Und die kleineren oder größeren Ungerechtigkeiten, die man im Alltag erfährt, um des lieben Friedens willen nicht anzusprechen, ist faul. So sehr wir uns wünschen, dass sie sich küssen – im Alltag kommen Güte und Treue, Freundlichkeit und Wahrhaftigkeit, Friede und Gerechtigkeit immer wieder in Konflikt miteinander.
Küssen oder kämpfen? Ich glaube, wir müssen das nicht entscheiden. Für mich gehört es zum Faszinosum der Bibel, diesem großen Buch der Hoffnung, dass sie Konflikte nicht ausblendet. Die Bibel weiß um die Widersprüchlichkeiten unseres Lebens und unserer Welt. Nichts allzu Menschliches ist ihr fremd. Sie weiß um die Sündhaftigkeit des Menschen. Und gerade in diesem verwirrten und verwirrenden Gestrüpp unseres Alltags, unserer Beziehungen, unserer Gesellschaft wächst die Hoffnung. Weil unser Leben und unsere Welt geborgen sind in der Liebe Gottes. Diese Liebe taucht alles in ein helles Licht, küssen und kämpfen. Die Liebe sieht die dunklen Seiten. Aber sie erlaubt dem Dunkel nicht, die Farben zu verdecken. Denn bei Gott ist die Quelle des Lebens, und in Gottes Licht sehen wir das Licht (Psalm 36). Darin liegt der Segen. Am Tag der Hochzeit von Maja und Alex und alle Tage.
(Bildquelle: https://www.pixelio.de)