Grazer Theologin posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt

 
von Evangelischer Pressedienst

Margarete Hoffer half verfolgten Juden – Ehrung durch Staat Israel in Grazer Synagoge

Graz (epdÖ) – Die im Jahr 1991 verstorbene Grazer evangelische Theologin Margarete Hoffer bewies in der NS-Diktatur Zivilcourage und riskierte ihr Leben, um jüdische Mitbürger zu retten. Dafür wurde sie 2012 von der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. Am Dienstag, 15. September, wurde sie in einer Zeremonie der Israelischen Botschaft auch in der Grazer Synagoge posthum geehrt.

Unter den weltweit über 27.000 Personen, die bisher vom Staat Israel mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet wurden, befinden sich rund 110 Österreicher. Margarete Hoffer (geb. 1906), die ihre Kindheit und Jugend in Graz verbracht hatte, ist neben Franz Leitner, der im „Kinderblock“ des KZ Buchenwald Kindern das Leben gerettet hat, eine von bisher zwei Steirern, die diese Ehrung zuerkannt bekommen haben, schilderte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Graz, Elie Rosen.

Margarete Hoffer wuchs in Graz auf, studierte als eine der ersten Frauen evangelische Theologie in Wien, Kiel, Leipzig und Tübingen. Anfangs arbeitete sie als Lehrerin in der reformpädagogischen „Eugenie Schwarzwald Schule“ in Wien. Bald engagierte sie sich in der schwedischen Mission in Wien und verhalf dort schon jüdischen Menschen zur Ausreise. Bei Studienaufenthalten in Deutschland lernte sie Mitglieder der Bekennenden Kirche kennen. Nach dem „Anschluss“ Österreichs verließ sie Wien und wurde als Vikarin auf Kriegsdauer – es gab ja noch keine Frauenordination – in die Johannesgemeinde nach Schwenningen entsandt. Dort war sie schnell mit dem Schicksal jüdischer Flüchtlinge konfrontiert. Viele kamen nach Schwenningen, um von dort aus die Schweiz zu erreichen. Margarete Hoffer übernahm den Kurierdienst. Sie hatte Informationen über freie Quartiere und gab Informationen weiter, wo flüchtige Juden vorübergehend versteckt werden konnten. Aus Sicherheitsgründen musste alles mündlich geschehen. Teilweise begleitete sie auch selbst verfolgte Juden auf ihrem Weg an die scharf bewachte Grenze. Immer wieder wurde sie selbst verhaftet, musste Bußgelder zahlen, wurde überwacht und abgehört. Sie war Teil einer „Pfarrhauskette“, in der Menschen versteckt wurden.

Die evangelische Theologin wurde bereits im Jahr 2012 gemeinsam mit zwei weiteren protestantischen Geistlichen, die in Schwenningen Juden vor dem Holocaust retteten, als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. Ihre Taten wurden in Memoiren und Zeugnissen beschrieben, die die Überlebenden kurz nach dem Krieg verfasst hatten.

„Das, was mich im Zusammenleben mit diesen gejagten Menschen am meisten belastete, war nicht die ständige, in Schwenningen damals nicht sehr begründete Angst vor Entdeckung“, erzählte Margarete Hoffer später rückblickend, „auch nicht die Mühe mit dem Besorgen der täglich notwendigen Nahrung oder der Quartiere. Was mich am meisten belastete, war das Mitspüren ihrer ununterbrochenen Anspannung und Angst – und die Scham, teilzuhaben an dieser entsetzlichen Schuld, die da geschah, an diesem schweigenden Zuschauen des Volkes bei der millionenfachen Kreuzigung des Juden Jesus.“

Nach dem Krieg schrieb sie in Deutschland ihre Dissertation, nachdem ihr Gesuch um Wiederaufnahme in den Dienst der evangelischen Kirchen in Österreich abgelehnt wurde. Später arbeitete sie im Flüchtlingslager in Linz-Haid als Seelsorgerin. 1952 konnte sie schließlich in Graz wieder unterrichten und war an der Heilandskirche tätig.

Am Dienstag – rund drei Wochen nach einem tätlichen antisemitischen Angriff auf Rosen und Beschädigungen der dortigen Synagoge sowie weiterer Einrichtungen – wurde die von der Shoah-Gedenk- und Forschungsstätte Yad Vashem anerkannte Auszeichnung durch Mordechai Rodgold, den Botschafter des Staates Israel an die Nichten und Neffen von Margarete Hoffer verliehen. „Möge sie in Zeiten, in denen der Antisemitismus wieder Einzug gehalten hat, allen als Beispiel dienen, dass bloßes Reden alleine nicht genügt, sondern wir alle an unseren Taten zu messen sind“, sagte Rosen im Rahmen des Festaktes, bei dem der Schriftsteller Doron Rabinovici die Festansprache hielt.

„Mit der Verleihung dieser Ehrung wurde ins Bewusstsein gerufen, wie wichtig Engagement, Mut und Unerschrockenheit auch heute sind, wie wichtig das Eintreten gegen Antisemitismus und Rassismus“, betonte die evangelische Oberkirchenrätin Gerhild Herrgesell gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) bezeichnete die posthume Ehrung als „wichtiges Zeichen“. Gerade nach den antisemitischen Ereignissen in den vergangenen Wochen in Graz müsse man „weiterhin wachsam bleiben. Antisemitismus darf in unserem Land keinen Platz haben“, so der Landeshauptmann.

Die judenfeindlichen Angriffe in Graz seien „ein Tiefpunkt des Antisemitismus in Österreich“, hob auch die Bundesministerin für EU und Verfassung, Karoline Edtstadler (ÖVP) in ihrer Ansprache hervor. Mit Hoffer werde eine Frau geehrt, „die uns nach wie vor den Spiegel vorhält, die Verantwortung übernommen hat und ihr Leben riskiert hat, um verfolgte Jüdinnen und Juden zu retten“.

„Die Heldinnen und Helden von damals sollten uns heute ein Vorbild sein. Margarete Hoffer war so eine Heldin“, betonte auch der Botschafter des Staates Israel, Mordechai Rodgold, der die posthume Auszeichnung an die Nichten und Neffen der „beherzten und mutigen Frau“ überreichte.

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