Geworfen und getragen
Maria Katharina Moser zum heutigen Diakonie-Sonntag
„Dieses blöde Coronavirus zerstört die ganze Familie“, ruft Frau Meier ins Telefon. In einem Redeschwall bricht die ganze Verzweiflung aus ihr heraus. Die Familienberaterin der Diakonie am anderen Ende der Leitung kommt lange gar nicht zu Wort. Home-Office, Home-Schooling und ein Kindergartenkind zu Hause – das ist einfach zu viel. Neulich, Frau Meier telefoniert gerade mit ihrer Chefin, fängt der jüngere Sohn an, seinen Bruder, der Schulaufgaben macht, mit einem Ball zu bewerfen. Daraufhin beginnt der Große, den Kleinen in einem „lautstarken Duell“ im Kreis rund um Frau Meier zu jagen. Sie muss das Telefonat mit der Chefin abbrechen. Brüllt ihre Söhne an. Die schreien noch mehr. Die Eskalation ist perfekt. Sie wisse nicht mehr, sagt Frau Meier, wie sie ihre Kinder „bändigen“ könne.
Erfahrungen wie diese bekommen diesen Sonntag Platz in den evangelischen Gottesdiensten. Die Pfarrgemeinden feiern Diakonie-Sonntag. „In die Krise geworfen – in der Krise getragen“ lautet das Motto. Die widersprüchlichen Erfahrungen in der Coronakrise, die Stimmungsschwankungen zwischen Verzweiflung und Hoffnung werden ins Gebet gelegt.
Wie gut, dass wir als Gläubige das Gebet haben! Im Gebet können wir das, was wir nicht in der Hand und unter Kontrolle haben, vor Gott bringen. Wir können Gott anrufen: ihn bitten, ihm klagen, ja sogar Gott anklagen. Freilich, das Gebet ist kein Versicherungsschein. Beten heißt nicht, alles wird gut. Aber in Gott haben wir einen Adressaten. Dass Gott antwortet, dass er uns trägt in den Krisen unseres Lebens, davon erzählt die Bibel.
Was mir wichtig scheint: Nicht vorschnell über die Momente, in denen wir uns in die Krise geworfen fühlen, hinweggehen. Der Klage Raum geben. Klagen ist etwas Anderes als jammern. Klagen heißt: erfahrenes Leid, Gefühle von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit in die Beziehung bringen. In die Gottes-Beziehung bringen.
Auch in Frau Meiers Geschichte steht am Anfang die Klage. Sie muss ihren Redeschwall loslassen, die Beraterin hört erst mal zu. Nachdem Frau Meier ihr Herz ausgeschüttet hat, überlegt Beraterin Carina Zweiner mit ihr gemeinsam, wie sie den Blick auf positive Dinge lenken und aus der Negativspirale wieder rauszukommen kann. Carina Zweiner sagt: „Viele Frauen suchen in der telefonischen Familienberatung Antworten, die auch ich nicht anbieten kann. Aber schon allein das Verständnis für die Situation entlasten ein kleines Bisschen.“